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Zinswende im zweiten Anlauf

Das Kalenderjahr 2024 startete mit der Hoffnung auf eine schnelle Zinswende mit bis zu sechs Zinssenkungen dies- und jenseits des Atlantiks im Jahresverlauf. Allerdings verhinderte eine hartnäckige Inflationsentwicklung ein derartiges Szenario. Zum Halbjahr steht noch kein Zinsschritt in den USA und lediglich eine Leitzinssenkung von 25 Basispunkten seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Buche. Die Anleihenmärkte korrigierten moderat, als sich die Erkenntnis durchsetzte, dass allzu positive Zinsszenarien nicht eintreten und das Zinsniveau längere Zeit auf einem hohen Niveau verbleiben wird. Die Aktienmärkte zeigten sich von der ausbleibenden Zinswende derweil unbeeindruckt und konnten angetrieben durch Technologietitel und das Megatrend-Thema „Künstliche Intelligenz“ im Jahresverlauf immer neue Höchststände verzeichnen. Abzulesen ist diese Technologiedominanz insbesondere in den USA, wo der Technologieindex Nasdaq 100 17,5 Prozent Wertzuwachs verzeichnen konnte, während sich der weniger technologielastige Dow Jones Industrial Index lediglich um 4,8 Prozent verteuerte. Kleine und mittelständische Unternehmen, gemessen am Russell 2000 Index, konnten mit 1,7 Prozent gerade eben im positiven Terrain abschneiden. Auch in Europa wurde die Kursentwicklung von wenigen Einzeltiteln geprägt. Die Indexrendite des Stoxx 600 von 9,5 Prozent läge ohne die beiden Schwergewichte ASML (+40 Prozent) und Novo Nordisk (+45 Prozent) bei ca. 7 Prozent. Geopolitische Spannungen rund um den Globus sorgten derweil bei Rohstoffen wie Öl (+16 Prozent) sowie Gold (+13 Prozent) für starke Kurszuwächse.

Inflationssorgen ebben ab

Die Inflationsentwicklung sendet ermutigende Signale. In der Eurozone schreitet der Disinflationsprozess angesichts einer ausbleibenden Wachstumsdynamik voran und könnte sich in den kommenden Monaten bei einer Inflationsrate um das Zentralbankziel einpendeln. Insbesondere die Preise für Industriegüter steigen nur noch langsam und liegen mit einer zuletzt gemessenen Teuerungsrate von 0,7 Prozent unterhalb ihres langfristigen Mittelwertes. Zudem ist die Tendenz weiter fallend. Das Segment der Dienstleistungen liegt allerdings mit einem Preisanstieg im Bereich von 4 Prozent nach wie vor zu hoch. Dafür bewegen sich die letzten Lohnabschlüsse wieder auf einem rückläufigen Niveau, so dass nach der Urlaubssaison die Möglichkeit eines Absinkens Richtung des Inflationsziels von zwei Prozent im Bereich des Möglichen erscheint. Und auch in den USA sehen wir einen immer deutlicheren Trend zur Disinflation mit einer Inflationsrate (gemessen am Kern-CPI) von aktuell 3,3 Prozent. Die Vereinigten Staaten leiden wie die Eurozone im Wesentlichen unter einer hartnäckig hohen Inflation im Dienstleistungssektor sowie immer noch zu hohen Inflationsraten für Wohnraum. Der Trend der Wohnraumkomponente ist gut berechenbar und sollte sich in den nächsten Monaten rückläufig entwickeln. Und auch die Dienstleistungskomponente erwarten wir in den kommenden Monaten nicht mehr so persistent, da ein sich abschwächender Arbeitsmarkt positiv auf die Inflationsentwicklung ausstrahlen sollte. Selbst bei einer weiterhin hohen Dienstleistungsinflation könnte das Zentralbankziel von 2 Prozent wieder in greifbare Nähe kommen. Mittel- bis langfristig bestehen bei der Inflation aber unseres Erachtens weiterhin Aufwärtsrisiken. Lieferkettenprobleme in Zeiten einer fortschreitenden Deglobalisierung, geopolitische Konfliktherde, neue Zölle im Rahmen protektionistischer Handelspolitik sowie ansteigende Haushaltsdefizite und eine expansive Fiskalpolitik können den Inflationsdruck wieder verstärken.

Wachstumssorgen nehmen zu

Wirtschaftswachstum und Inflation sind zwei Seiten einer Medaille. Eine Rezession dämpft Inflationssorgen, während ein starkes Wachstum auch immer Inflation begünstigt. Dementsprechend fußt unsere Inflationsprognose auf einem sich abschwächenden globalen Wirtschaftswachstum, welches vorrangig durch eine sich spürbar abkühlende US-Wirtschaft bestimmt wird. Dies liegt in verschiedenen Faktoren begründet.

Konsumrückgang

Der Fokus der Zentralbanken liegt immer auf der Inflationsrate, also der Veränderung der Teuerung gegenüber dem Vorjahr. Für Konsumenten ist allerdings das Preisniveau die ausschlaggebende Größe und bei dieser kumuliert sich die Belastung der vergangenen Jahre. In den USA etwa wähnt sich die Notenbank FED angesichts einer Inflationsrate von 3,3 Prozent auf der Zielgeraden der Inflationsbekämpfung, während das kumulierte Preisniveau für den amerikanischen Verbraucher seit 2021 um über 20 Prozent angestiegen ist. Die Mehrheit der Einkommen ist in diesem Zeitraum nicht in dieser Größenordnung angestiegen und musste so einen realen Kaufkraftverlust hinnehmen. Mittlerweile sind zudem die Ersparnisse aus der Coronazeit aufgebraucht und kreditfinanzierte Käufe steigen stark an. Und dies zu wesentlich höheren Zinsen verglichen mit der Zeit kurz nach der Pandemie. All dies spricht für eine Abschwächung des privaten Konsums. Dies war jüngst auch am ISM-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe abzulesen, welcher mit einem starken Einbruch auf eine spürbare Abschwächung des amerikanischen Konsums hindeutet.

Arbeitsmarkt kühlt sich ab

Zusätzlich ist die Arbeitslosenquote in den USA zuletzt wieder auf 4,1 Prozent angestiegen von einem zwischenzeitlichen Tiefststand nach Corona von 3,5 Prozent. Diese Arbeitslosenquote übertrifft bereits die von der FED prognostizierte Jahresendrate. Zudem fällt in den vergangenen Monaten regelmäßig auf, dass die Zahl der monatlich neugeschaffenen Stellen zunächst robust ausgewiesen, dann aber in den Folgemonaten stark nach unten revidiert wird. Für den Juni wurden zuletzt 200.000 neugeschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft gemeldet, gleichzeitig wurden aber die Vormonatswerte um über 100.000 nach unten revidiert, so dass nach Abzug der Stellen im Staatsdienst lediglich ein lauer Zuwachs an privaten Stellen von ca. 50.000 übriggeblieben ist. Die Größe der Revisionen nimmt dabei stetig zu. Während die durchschnittliche Abwärtsrevision im Jahr 2022 6.000 Stellen betrug, waren es im Jahr 2023 schon 30.000 Stellen und in diesem Jahr satte 49.000 Stellen. Ein weiteres Anzeichen für einen schwachen Arbeitsmarkt ist, dass laut Arbeitsmarktbericht im letzten Jahr 1,6 Mio. Vollzeitstellen in der Privatwirtschaft verloren, dafür aber 1,8 Mio. Teilzeitstellen gewonnen wurden.

Zinslasten erhöhen sich stetig

Privathaushalte sowie Unternehmen in den USA haben sich in den vergangenen Jahren angesichts des sich abzeichnenden Zinserhöhungszyklus frühzeitig finanziert respektive refinanziert. Bei den privaten Haushalten hat sich seit der Immobilienkrise 2008/2009 zudem durchgesetzt, dass keine variabel, sondern festverzinste Hypothekendarlehen abgeschlossen werden. Da diese oftmals mit Laufzeiten zwischen 10 und 30 Jahren strukturiert sind, hat sich die Zinssensitivität zu Leitzinserhöhungen für Immobilienbesitzer reduziert, da erst bei zukünftigen Refinanzierungen die höheren Zinssätze spürbar werden. Dies erklärt auch, warum in den USA die Hausverkäufe erheblich zurückgegangen sind. Außerdem profitieren Unternehmen von den günstigen Finanzierungsbedingungen der vergangenen Jahre. So wurden 61 Prozent der Anleihen bester Bonität (IG) sowie 68 Prozent der Hochzinsanleihen begeben als der Leitzins über ein Prozent tiefer lag. Hier wird es in den kommenden Monaten sukzessive Refinanzierungsbedarf auf höheren Zinsniveaus geben. Dadurch werden sich die höheren Zinslasten erst langsam in den Bilanzen der Unternehmen und der privaten Haushalte bemerkbar machen. Dies aber auch dann, wenn die Notenbank ihre Leitzinsen moderat senkt.

Uninspiriertes globales Wachstum

Folglich sehen wir in den USA eine sich abkühlende Wirtschaft, erwarten aber keine unmittelbare Rezession. Der Arbeitsmarkt entspannt sich zusehends, ist aber mit einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent noch nicht schwach. Die Konsumausgaben halten an, sind aber zunehmend kreditfinanziert bei steigenden Zahlungsausfällen. Hauspreise sind stabil, Hausverkäufe aber eingebrochen. In der Eurozone messen wir zarte Stabilisierungstendenzen beim Wirtschaftswachstum, allerdings keine große Dynamik, so dass ein Aufschwung unseres Erachtens allenfalls schwach ausfallen wird. Ein Fokus liegt zudem weiterhin auf den sich langsam auswirkenden Zinsanstiegen der vergangenen Jahre. So sind in diesem Jahr in Deutschland die Firmenpleiten sprunghaft angestiegen und liegen laut dem Handelsblatt 41 Prozent über dem Vorjahr. Besonders betroffen sind Immobilienunternehmen, Automobilzulieferer und Maschinenbauer. Prominente Namen finden sich aber auch in anderen Branchen wie der Reiseveranstalter FTI, die Warenhauskette Galeria oder das Modeunternehmen Esprit. Der Wachstumstrend könnte zudem ins Stocken geraten, falls in den USA oder in China eine Wachstumseintrübung auftritt, da dies die Exportwirtschaft belasten würde. In China hegen wir Zweifel, ob es in naher Zukunft zu einer Wachstumsbelebung kommen wird. Diese kann unserer Meinung nach nur über eine Konsumbelebung ausgelöst werden. Ohne wesentliche Konjunkturprogramme erscheint dies aber schwierig. Die Immobilienkrise und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit belasten die Haushalte. Zudem haben die staatlichen Eingriffe der letzten Jahre zu einer massiven Vertrauenskrise beigetragen. Zusätzlich scheint ein Handelskonflikt mit den USA und Europa vorprogrammiert. Insbesondere die ausgebliebene Zinswende in den USA erschwert es der Regierung in Peking Stützprogramme aufzusetzen, da diese die heimische Währung, den Renminbi voraussichtlich stark abwerten würden. Umgekehrt könnte eine Zinswende in den USA aber den nötigen Handlungsspielraum eröffnen, um die Wirtschaft zu unterstützen.

Staatsschuldenkrise zieht auf

Kurzfristig sehen wir Wachstumsprobleme, mittel- bis langfristig halten wir eine neue Schuldenkrise für kaum noch abwendbar. Die Staaten und ihre Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verschuldet und es gibt keine Anzeichen, dass zu einer gesunden Haushaltspolitik zurückgekehrt wird. Die Haushaltsdefizite variieren lediglich in ihrer absoluten Höhe. John Maynard Keynes Wirtschaftstheorie in Krisenzeiten über Staatsinvestitionen die Wirtschaft zu stabilisieren, wird regelmäßig angewandt. Aber die zweite Hälfte der Lehre, dass in guten Wirtschaftszeiten antizyklisch gespart und Schulden zurückgeführt werden sollen, wird geflissentlich ignoriert. Betrachtet man exemplarisch die Vereinigten Staaten, so war bei einer derart geringen Arbeitslosenquote das Haushaltsdefizit noch nie so hoch. Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) hat vor kurzem seine diesjährige Schätzung für das amerikanische Haushaltsdefizit revidieren müssen. Im Vergleich zu seiner Februar-Schätzung eines Defizits von 1,5 Billionen USD (5,4 Prozent des BIP) geht die Behörde nun vier Monate später von 1,9 Billionen USD aus. Dies entspricht 6,7 Prozent des BIP. Im vergangenen Jahr lag das Defizit bei 1,7 Billionen USD, oder 6,3 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Dies umschreibt die aktuelle Defizitsituation bei einer robust wachsenden Wirtschaft. Was passiert, wenn die USA tatsächlich in eine Rezession rutschen, mit dann deutlich rückläufigem Steueraufkommen, kann sich jeder selbst ausmalen. Die stetig ansteigende Verschuldung wird künftig das Wirtschaftswachstum belasten. Die Zinslast der USA hat in den vergangenen 20 Jahren immer um etwa 2,5 Prozent des BIP gelegen. Die rückläufigen Zinsen haben demnach die immer größere Verschuldung fiskalisch im Zaum gehalten. 2,5 Prozent des BIP spiegeln zudem ungefähr das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum in dieser Zeit wider, so dass die Verschuldungssituation als stabil bezeichnet werden durfte. Mit wachsender Verschuldung und den zuletzt angestiegenen Zinsen bewegt sich die Zinslast der Schulden gemäß den Berechnungen des CBO mittlerweile stark in Richtung von 4 Prozent vom BIP. Selbst ein konstantes Wirtschaftswachstum im Bereich von 2,5 Prozent des BIP ohne jegliche Rezession in den kommenden Jahren reicht folglich nicht mehr aus, um die Zinslast der Schulden zu bedienen. Anders ausgedrückt wachsen die Finanzierungskosten der USA schneller als das Wirtschaftswachstum. Aus einer fundamentalen Analyse würde man einem Unternehmen mit einer derartigen Bilanzstruktur (Zinskosten größer als Wachstum) nur für kurze Zeit und mit deutlichen Risikoaufschlägen weiteres Geld leihen, falls man sich überhaupt dazu durchringen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass weder Demokraten noch Republikaner in den USA den geringsten Willen zeigen dieses Problem zu adressieren. In anderen Ländern sieht dies kaum anders aus. Wenige Länder wie Deutschland oder auch Portugal befinden sich auf einem verhältnismäßig vernünftigen Fiskalpfad. Bleiben die Zinsen weiterhin höher als gedacht, dann werden die Staaten früher oder später gezwungen sein sich mit dem Problem auseinander zu setzen.

Zinswende eingeläutet

Auch vor diesem Hintergrund haben die Zentralbanken den Zinssenkungszyklus fest im Blick. Die EZB hat im Juni ihren Leitzins erstmals um 25 Basispunkte gesenkt und wird in diesem Jahr mindestens noch einen weiteren vergleichbaren Schritt vornehmen. Ob ein dritter Schritt erfolgt, hängt unserer Meinung nach an der amerikanischen Notenbank FED. Wir sehen momentan nicht, dass der Zinssenkungszyklus in der Eurozone stärker ausfallen sollte als in den USA und halten daher europäische Leitzinssenkungen um mehr als ein halbes Prozent im Vergleich zur FED für äußerst unwahrscheinlich. Dies würde den Euro unnötig unter Druck setzen. Nimmt man die Kommunikation der FED seit November letzten Jahres als Maßstab, dann werden auch in den USA die Zinsen bald gesenkt, lediglich der Zeitpunkt steht ob der amerikanischen Präsidentschaftswahl noch nicht fest. Wir haben lange den Standpunkt vertreten, dass die FED aufgrund der starken Wirtschaftsentwicklung mit einer frühzeitigen Zinssenkung einen geldpolitischen Fehler begehen würde. Mittlerweile müssen wir aber konstatieren, dass sich die Wachstumsindikatoren in den USA so stark eingetrübt haben, dass eine Zinssenkung im September gerechtfertigt sein könnte. In besonderem Maße, falls die Konjunkturdaten der kommenden Wochen ebenfalls schwach notieren. Angesichts der Fiskalversprechen der Präsidentschaftskandidaten und deren inflationärer Wirkung halten wir es aber für opportun eine abwartende Haltung einzunehmen, um zu bewerten welche Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl herrschen.

Geopolitik voller Krisenherde

In der (Geo-)Politik steckt momentan so viel Eskalationspotential wie seit Jahrzehnten nicht. Allein in den letzten Wochen gab es etliche Entwicklungen, welche nicht für eine Beruhigung der geopolitischen Lage sprechen. Nordkorea und Russland haben eine strategische (Waffen-)Partnerschaft vereinbart. Rechtsruck bei der Europawahl sowie Linksruck bei vorgezogenen Neuwahlen in Frankreich. Israel wird immer häufiger in militärische Auseinandersetzungen mit der Hisbollah verstrickt. Territorialkonflikte um Ölfördergebiete in der Region Guyana. Immer neue Eskalation in der südchinesischen See zwischen den Philippinen und China. Und zuletzt auch die vorläufigen Zölle der EU auf Elektrofahrzeuge aus China. Zudem rückt die Präsidentschaftswahl in den USA in den Fokus, wo nach dem ersten Fernsehduell augenscheinlich noch nicht einmal die Kandidatenfrage final geklärt ist. Für die Kapitalanlage gilt, dass geopolitische Ereignisse Volatilität auslösen können, aber schwer prognostizierbar sind. Wir reagieren in den Portfolien, sobald etwas analysierbar ist und vermeiden mit einer breiten Diversifikation Klumpenrisiken sowie Spekulation. Wie einschneidend die Geopolitik sein könnte, zeigt eine aktuelle Studie der Investmentbank Goldman Sachs. Sollte Donald Trump seine propagierte Handelspolitik mit den kursierenden Zöllen ungehindert umsetzen, so prognostizieren die Banker, wird die FED gezwungen sein den aktuellen Leitzins um 1,25 Prozent zu erhöhen, um die inflationäre Wirkung zu dämpfen.

Anlagestrategie

Unser makroökonomisches Bild ändert sich langsam. Wir sehen die Weltwirtschaft und insbesondere die USA in einer spätzyklischen Phase. Die Wachstumssorgen überwiegen mittlerweile im Vergleich zu den Inflationssorgen und so beginnen die Zentralbanken vergleichsweise früh gegenzusteuern und die Zinsen zu senken. Da die Inflation aber noch nicht unter das Zentralbankziel von zwei Prozent zurückgekehrt ist, erwarten wir nicht, dass die Zinssenkungen ohne einen exogenen Schock allzu stark ausfallen werden. Dementsprechend rechnen wir mit einem immer noch höheren Zinsniveau als vor einigen Jahren. Für unsere Anlagestrategie ergibt sich dadurch noch wenig Änderungsbedarf. Wir richten die Portfolien weiterhin defensiv aus.

Aktien

Die Aktienmärkte entwickelten sich im ersten Halbjahr beflügelt von den Hoffnungen auf baldige Leitzinssenkungen im Zusammenspiel mit einer anhaltenden Euphorie rund um das Thema der künstlichen Intelligenz (KI) sehr gut. Dabei reichten solide Unternehmensergebnisse aus, um die Kursrallye nicht zu gefährden. Wir sind von den möglichen Anwendungsfeldern der Künstlichen Intelligenz sehr angetan. Allerdings müssen wir konstatieren, dass momentan die Euphorie um das Thema dafür sorgt, dass sich bei einigen Titeln die Kursentwicklungen von den Fundamentaldaten entkoppeln. Die Bewertungen für Unternehmen aus dem Technologiebereich insbesondere mit KI-Bezug sind mittlerweile sehr ambitioniert und müssen mittelfristig durch entsprechende Ergebnisse untermauert werden. Zurzeit wird allerdings viel Geld investiert, welches noch keinen Ertrag abwirft. Die großen Technologieunternehmen investieren Milliardenbeträge in Rechenzentren und Forschung und werden früher oder später Ergebnisse für diese Investitionen sehen wollen. Und diese stellen sich schwer ein, wie ein Bericht der New York Times aufzeigt. In den vergangenen drei Jahren haben Investoren aus dem Venture Capital-Bereich 330 Mrd. USD in 26.000 Start-Up Unternehmen investiert, was einem Anstieg vergleichbarer Investitionen um zwei Drittel zur Periode von 2018-2020 entspricht. Allein im vergangenen Jahr verfünffachte sich die Investitionssumme in Unternehmen mit Bezug zu generativer KI. Dabei erwirtschaften aktuell die allerwenigsten dieser Unternehmen einen Gewinn, sondern im Gegenteil, sind auf immer neue Finanzierungsrunden angewiesen, um zu überleben. Dementsprechend sollte man bei Investitionen in diesen Bereich mittlerweile Vorsicht walten lassen. Umgekehrt muss man sich aber nicht zwangsläufig aus Investments verabschieden, da derartige Diskrepanzen zwischen Kursen und Fundamentaldaten mitunter lange andauern können. Ein weiterer Grund zur Vorsicht ist die fehlende Breite der Kursbewegung der vergangenen Monate, d.h. dass sich lediglich wenige Unternehmen für die Wertentwicklung der Indizes verantwortlich zeichnen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass sich im Aktienmarkt noch einige Unternehmen mit vernünftigen Bewertungen und guten Geschäftsaussichten finden lassen. Unseres Erachtens spricht das makroökonomische Umfeld dafür, weiterhin investiert zu bleiben. Allerdings würden wir anraten regelmäßig etwaige Gewinne bei den erfolgreichen Unternehmen dieses Jahres zu realisieren und aktiv weitere Opportunitäten zu nutzen. Wir bleiben angesichts des späten Konjunkturzyklus defensiv positioniert und angesichts geopolitischer Unsicherheiten innerhalb der Wirtschaftsregionen ausgewogen diversifiziert. Bei der Selektion legen wir traditionell einen starken Fokus auf Qualitätsunternehmen. Diese sollten in unsicheren Zeiten mit geringen Verschuldungsgraden und ausgeprägten Wettbewerbsvorteilen stabile Gewinnmargen erwirtschaften. Durch unseren aktiven Investmentstil werden wir ferner Opportunitäten nutzen, sobald sich diese kristallisieren.

Anleihen

Der Zinssenkungszyklus der Zentralbanken beginnt, so dass Investments in Anleihen auch vor dem Hintergrund eines abflauenden Wachstumsumfelds attraktiv sind. Die absoluten Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen bewegen sich nach wie vor in einem historisch attraktiven Bereich. Allerdings sind die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen sehr gering, so dass man selektiv vorgehen sollte. Wir mögen insbesondere noch europäische Unternehmensanleihen bester Bonität. Deren Bilanzen sind oftmals besser als die der Staaten, in denen sie operieren. Ihre Gewinnsituation ist stabil und auch die Kreditausfälle sind momentan noch sehr gering. Zudem werden in diesem Segment aktuell noch mehr Unternehmen von den Ratingagenturen in ihrer Kreditwürdigkeit herauf- als herabgestuft, was für einen technisch unterstützen Markt spricht.

Rohstoffe/Alternative Investments

Gold hat sich im vergangenen Halbjahr beeindruckend entwickelt. Geopolitische Spannungen, Zinssenkungen sowie eine expansive Fiskalpolitik der Staaten und Regierungen sorgten für Höchststände. Da dieses Umfeld unserer Meinung nach anhalten wird, halten wir Gold weiterhin für eine interessante Portfoliobeimischung zur Diversifikation. Zudem kauften viele Zentralbanken Goldbestände, um sich in ihrer Währungsabhängigkeit vom US-Dollar zu lösen. Dies eröffnet zukünftig unseres Erachtens Unterstützungskäufe sollte das Edelmetall stärker im Kurs fallen. Alternative Investments zeigen gerade in volatilen Zeiten ihren Diversifikationsnutzen und werden von uns daher aktuell präferiert.

Fazit

Die Aktienmärkte sind im ersten Halbjahr durch Hoffnungen auf baldige Leitzinssenkungen im Zusammenspiel mit einer anhaltenden Euphorie um das Thema der künstlichen Intelligenz auf immer neue Höchststände gestiegen. Wir halten mittlerweile Zinssenkungen auch in den USA für gerechtfertigt, da sich das Wachstumsumfeld spürbar eintrübt und sich die Inflationssorgen in Wachstumssorgen wandeln. Wir sehen den Konsum abnehmen und erkennen immer deutlicher Abkühlungstendenzen am Arbeitsmarkt. In der Eurozone hat eine erste Zinssenkung stattgefunden, was ob der ausbleibenden Wachstumsdynamik der hiesigen Wirtschaft opportun ist. China hingegen befindet sich nach wie vor in einem deflationären Umfeld und müsste expansive Fiskal- und Geldpolitik betreiben, um das historisch schwache Wachstum zu beflügeln. Da die Inflationsraten noch nicht im Zielbereich der Zentralbanken angekommen sind, halten wir das Zinssenkungspotential aktuell für begrenzt, so dass wir ein höheres Zinsniveau als vor ein paar Jahren erwarten. Mittelfristig sehen wir eine Schuldenkrise aufziehen, welche sich allerdings erst sukzessive auswirken wird. Unmittelbar ist die Gefahr, die von den mannigfaltigen geopolitischen Konfliktherden rund um den Globus ausgehen. Wir sehen die globale Wirtschaft in einem spätzyklischen Umfeld mit abnehmendem Wachstum. Zudem erkennen wir Kursübertreibungen bei einigen Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wir bleiben daher unseren Investments in Qualitätstiteln treu und verbleiben in einer defensiven Portfoliopositionierung. Anleihen halten wir angesichts dieses Wachstumsausblicks mit beginnenden Leitzinssenkungen für attraktiv. Dabei bevorzugen wir nach wie vor Unternehmensanleihen guter Bonität im mittleren Laufzeitenband. Gold besitzt aufgrund seines Status als sicherer Hafen eine Rolle im Portfolio und spielt im aktuellen Marktumfeld seine Stärken aus. Zudem könnten Zentralbankkäufe Kursverluste in den kommenden Monaten abfedern. Alternative Investments präferieren wir in volatilen Phasen.  " ["post_title"]=> string(34) "Marktkommentar zum 3. Quartal 2024" ["post_excerpt"]=> string(0) "" ["post_status"]=> string(7) "publish" ["comment_status"]=> string(6) "closed" ["ping_status"]=> string(6) "closed" ["post_password"]=> string(0) "" ["post_name"]=> string(33) "marktkommentar-zum-3-quartal-2024" ["to_ping"]=> string(0) "" ["pinged"]=> string(0) "" ["post_modified"]=> string(19) "2024-07-16 11:44:45" ["post_modified_gmt"]=> string(19) "2024-07-16 09:44:45" ["post_content_filtered"]=> string(0) "" ["post_parent"]=> int(0) ["guid"]=> string(37) "https://portfolio-concept.de/?p=10223" ["menu_order"]=> int(0) ["post_type"]=> string(4) "post" ["post_mime_type"]=> string(0) "" ["comment_count"]=> string(1) "0" ["filter"]=> string(3) "raw" }

Marktkommentar zum 3. Quartal 2024

Zinswende im zweiten Anlauf

Das Kalenderjahr 2024 startete mit der Hoffnung auf eine schnelle Zinswende mit bis zu sechs Zinssenkungen dies- und jenseits des Atlantiks im Jahresverlauf. Allerdings verhinderte eine hartnäckige Inflationsentwicklung ein derartiges Szenario. Zum Halbjahr steht noch kein Zinsschritt in den USA und lediglich eine Leitzinssenkung von 25 Basispunkten seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Buche.

Die Anleihenmärkte korrigierten moderat, als sich die Erkenntnis durchsetzte, dass allzu positive Zinsszenarien nicht eintreten und das Zinsniveau längere Zeit auf einem hohen Niveau verbleiben wird. Die Aktienmärkte zeigten sich von der ausbleibenden Zinswende derweil unbeeindruckt und konnten angetrieben durch Technologietitel und das Megatrend-Thema „Künstliche Intelligenz“ im Jahresverlauf immer neue Höchststände verzeichnen.

Abzulesen ist diese Technologiedominanz insbesondere in den USA, wo der Technologieindex Nasdaq 100 17,5 Prozent Wertzuwachs verzeichnen konnte, während sich der weniger technologielastige Dow Jones Industrial Index lediglich um 4,8 Prozent verteuerte. Kleine und mittelständische Unternehmen, gemessen am Russell 2000 Index, konnten mit 1,7 Prozent gerade eben im positiven Terrain abschneiden.

Auch in Europa wurde die Kursentwicklung von wenigen Einzeltiteln geprägt. Die Indexrendite des Stoxx 600 von 9,5 Prozent läge ohne die beiden Schwergewichte ASML (+40 Prozent) und Novo Nordisk (+45 Prozent) bei ca. 7 Prozent. Geopolitische Spannungen rund um den Globus sorgten derweil bei Rohstoffen wie Öl (+16 Prozent) sowie Gold (+13 Prozent) für starke Kurszuwächse.

Inflationssorgen ebben ab

Die Inflationsentwicklung sendet ermutigende Signale. In der Eurozone schreitet der Disinflationsprozess angesichts einer ausbleibenden Wachstumsdynamik voran und könnte sich in den kommenden Monaten bei einer Inflationsrate um das Zentralbankziel einpendeln. Insbesondere die Preise für Industriegüter steigen nur noch langsam und liegen mit einer zuletzt gemessenen Teuerungsrate von 0,7 Prozent unterhalb ihres langfristigen Mittelwertes. Zudem ist die Tendenz weiter fallend.

Das Segment der Dienstleistungen liegt allerdings mit einem Preisanstieg im Bereich von 4 Prozent nach wie vor zu hoch. Dafür bewegen sich die letzten Lohnabschlüsse wieder auf einem rückläufigen Niveau, so dass nach der Urlaubssaison die Möglichkeit eines Absinkens Richtung des Inflationsziels von zwei Prozent im Bereich des Möglichen erscheint.
Und auch in den USA sehen wir einen immer deutlicheren Trend zur Disinflation mit einer Inflationsrate (gemessen am Kern-CPI) von aktuell 3,3 Prozent.

Die Vereinigten Staaten leiden wie die Eurozone im Wesentlichen unter einer hartnäckig hohen Inflation im Dienstleistungssektor sowie immer noch zu hohen Inflationsraten für Wohnraum. Der Trend der Wohnraumkomponente ist gut berechenbar und sollte sich in den nächsten Monaten rückläufig entwickeln. Und auch die Dienstleistungskomponente erwarten wir in den kommenden Monaten nicht mehr so persistent, da ein sich abschwächender Arbeitsmarkt positiv auf die Inflationsentwicklung ausstrahlen sollte. Selbst bei einer weiterhin hohen Dienstleistungsinflation könnte das Zentralbankziel von 2 Prozent wieder in greifbare Nähe kommen.

Mittel- bis langfristig bestehen bei der Inflation aber unseres Erachtens weiterhin Aufwärtsrisiken. Lieferkettenprobleme in Zeiten einer fortschreitenden Deglobalisierung, geopolitische Konfliktherde, neue Zölle im Rahmen protektionistischer Handelspolitik sowie ansteigende Haushaltsdefizite und eine expansive Fiskalpolitik können den Inflationsdruck wieder verstärken.

Wachstumssorgen nehmen zu

Wirtschaftswachstum und Inflation sind zwei Seiten einer Medaille. Eine Rezession dämpft Inflationssorgen, während ein starkes Wachstum auch immer Inflation begünstigt. Dementsprechend fußt unsere Inflationsprognose auf einem sich abschwächenden globalen Wirtschaftswachstum, welches vorrangig durch eine sich spürbar abkühlende US-Wirtschaft bestimmt wird. Dies liegt in verschiedenen Faktoren begründet.

Konsumrückgang

Der Fokus der Zentralbanken liegt immer auf der Inflationsrate, also der Veränderung der Teuerung gegenüber dem Vorjahr. Für Konsumenten ist allerdings das Preisniveau die ausschlaggebende Größe und bei dieser kumuliert sich die Belastung der vergangenen Jahre. In den USA etwa wähnt sich die Notenbank FED angesichts einer Inflationsrate von 3,3 Prozent auf der Zielgeraden der Inflationsbekämpfung, während das kumulierte Preisniveau für den amerikanischen Verbraucher seit 2021 um über 20 Prozent angestiegen ist. Die Mehrheit der Einkommen ist in diesem Zeitraum nicht in dieser Größenordnung angestiegen und musste so einen realen Kaufkraftverlust hinnehmen.

Mittlerweile sind zudem die Ersparnisse aus der Coronazeit aufgebraucht und kreditfinanzierte Käufe steigen stark an. Und dies zu wesentlich höheren Zinsen verglichen mit der Zeit kurz nach der Pandemie. All dies spricht für eine Abschwächung des privaten Konsums. Dies war jüngst auch am ISM-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe abzulesen, welcher mit einem starken Einbruch auf eine spürbare Abschwächung des amerikanischen Konsums hindeutet.

Arbeitsmarkt kühlt sich ab

Zusätzlich ist die Arbeitslosenquote in den USA zuletzt wieder auf 4,1 Prozent angestiegen von einem zwischenzeitlichen Tiefststand nach Corona von 3,5 Prozent. Diese Arbeitslosenquote übertrifft bereits die von der FED prognostizierte Jahresendrate.

Zudem fällt in den vergangenen Monaten regelmäßig auf, dass die Zahl der monatlich neugeschaffenen Stellen zunächst robust ausgewiesen, dann aber in den Folgemonaten stark nach unten revidiert wird. Für den Juni wurden zuletzt 200.000 neugeschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft gemeldet, gleichzeitig wurden aber die Vormonatswerte um über 100.000 nach unten revidiert, so dass nach Abzug der Stellen im Staatsdienst lediglich ein lauer Zuwachs an privaten Stellen von ca. 50.000 übriggeblieben ist.

Die Größe der Revisionen nimmt dabei stetig zu. Während die durchschnittliche Abwärtsrevision im Jahr 2022 6.000 Stellen betrug, waren es im Jahr 2023 schon 30.000 Stellen und in diesem Jahr satte 49.000 Stellen. Ein weiteres Anzeichen für einen schwachen Arbeitsmarkt ist, dass laut Arbeitsmarktbericht im letzten Jahr 1,6 Mio. Vollzeitstellen in der Privatwirtschaft verloren, dafür aber 1,8 Mio. Teilzeitstellen gewonnen wurden.

Zinslasten erhöhen sich stetig

Privathaushalte sowie Unternehmen in den USA haben sich in den vergangenen Jahren angesichts des sich abzeichnenden Zinserhöhungszyklus frühzeitig finanziert respektive refinanziert. Bei den privaten Haushalten hat sich seit der Immobilienkrise 2008/2009 zudem durchgesetzt, dass keine variabel, sondern festverzinste Hypothekendarlehen abgeschlossen werden. Da diese oftmals mit Laufzeiten zwischen 10 und 30 Jahren strukturiert sind, hat sich die Zinssensitivität zu Leitzinserhöhungen für Immobilienbesitzer reduziert, da erst bei zukünftigen Refinanzierungen die höheren Zinssätze spürbar werden. Dies erklärt auch, warum in den USA die Hausverkäufe erheblich zurückgegangen sind.

Außerdem profitieren Unternehmen von den günstigen Finanzierungsbedingungen der vergangenen Jahre. So wurden 61 Prozent der Anleihen bester Bonität (IG) sowie 68 Prozent der Hochzinsanleihen begeben als der Leitzins über ein Prozent tiefer lag. Hier wird es in den kommenden Monaten sukzessive Refinanzierungsbedarf auf höheren Zinsniveaus geben.
Dadurch werden sich die höheren Zinslasten erst langsam in den Bilanzen der Unternehmen und der privaten Haushalte bemerkbar machen. Dies aber auch dann, wenn die Notenbank ihre Leitzinsen moderat senkt.

Uninspiriertes globales Wachstum

Folglich sehen wir in den USA eine sich abkühlende Wirtschaft, erwarten aber keine unmittelbare Rezession. Der Arbeitsmarkt entspannt sich zusehends, ist aber mit einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent noch nicht schwach. Die Konsumausgaben halten an, sind aber zunehmend kreditfinanziert bei steigenden Zahlungsausfällen. Hauspreise sind stabil, Hausverkäufe aber eingebrochen.
In der Eurozone messen wir zarte Stabilisierungstendenzen beim Wirtschaftswachstum, allerdings keine große Dynamik, so dass ein Aufschwung unseres Erachtens allenfalls schwach ausfallen wird. Ein Fokus liegt zudem weiterhin auf den sich langsam auswirkenden Zinsanstiegen der vergangenen Jahre. So sind in diesem Jahr in Deutschland die Firmenpleiten sprunghaft angestiegen und liegen laut dem Handelsblatt 41 Prozent über dem Vorjahr. Besonders betroffen sind Immobilienunternehmen, Automobilzulieferer und Maschinenbauer. Prominente Namen finden sich aber auch in anderen Branchen wie der Reiseveranstalter FTI, die Warenhauskette Galeria oder das Modeunternehmen Esprit.

Der Wachstumstrend könnte zudem ins Stocken geraten, falls in den USA oder in China eine Wachstumseintrübung auftritt, da dies die Exportwirtschaft belasten würde.
In China hegen wir Zweifel, ob es in naher Zukunft zu einer Wachstumsbelebung kommen wird. Diese kann unserer Meinung nach nur über eine Konsumbelebung ausgelöst werden. Ohne wesentliche Konjunkturprogramme erscheint dies aber schwierig. Die Immobilienkrise und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit belasten die Haushalte. Zudem haben die staatlichen Eingriffe der letzten Jahre zu einer massiven Vertrauenskrise beigetragen. Zusätzlich scheint ein Handelskonflikt mit den USA und Europa vorprogrammiert.

Insbesondere die ausgebliebene Zinswende in den USA erschwert es der Regierung in Peking Stützprogramme aufzusetzen, da diese die heimische Währung, den Renminbi voraussichtlich stark abwerten würden. Umgekehrt könnte eine Zinswende in den USA aber den nötigen Handlungsspielraum eröffnen, um die Wirtschaft zu unterstützen.

Staatsschuldenkrise zieht auf

Kurzfristig sehen wir Wachstumsprobleme, mittel- bis langfristig halten wir eine neue Schuldenkrise für kaum noch abwendbar.
Die Staaten und ihre Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verschuldet und es gibt keine Anzeichen, dass zu einer gesunden Haushaltspolitik zurückgekehrt wird. Die Haushaltsdefizite variieren lediglich in ihrer absoluten Höhe. John Maynard Keynes Wirtschaftstheorie in Krisenzeiten über Staatsinvestitionen die Wirtschaft zu stabilisieren, wird regelmäßig angewandt. Aber die zweite Hälfte der Lehre, dass in guten Wirtschaftszeiten antizyklisch gespart und Schulden zurückgeführt werden sollen, wird geflissentlich ignoriert.

Betrachtet man exemplarisch die Vereinigten Staaten, so war bei einer derart geringen Arbeitslosenquote das Haushaltsdefizit noch nie so hoch.
Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) hat vor kurzem seine diesjährige Schätzung für das amerikanische Haushaltsdefizit revidieren müssen. Im Vergleich zu seiner Februar-Schätzung eines Defizits von 1,5 Billionen USD (5,4 Prozent des BIP) geht die Behörde nun vier Monate später von 1,9 Billionen USD aus. Dies entspricht 6,7 Prozent des BIP.
Im vergangenen Jahr lag das Defizit bei 1,7 Billionen USD, oder 6,3 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.

Dies umschreibt die aktuelle Defizitsituation bei einer robust wachsenden Wirtschaft. Was passiert, wenn die USA tatsächlich in eine Rezession rutschen, mit dann deutlich rückläufigem Steueraufkommen, kann sich jeder selbst ausmalen. Die stetig ansteigende Verschuldung wird künftig das Wirtschaftswachstum belasten.
Die Zinslast der USA hat in den vergangenen 20 Jahren immer um etwa 2,5 Prozent des BIP gelegen. Die rückläufigen Zinsen haben demnach die immer größere Verschuldung fiskalisch im Zaum gehalten. 2,5 Prozent des BIP spiegeln zudem ungefähr das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum in dieser Zeit wider, so dass die Verschuldungssituation als stabil bezeichnet werden durfte.

Mit wachsender Verschuldung und den zuletzt angestiegenen Zinsen bewegt sich die Zinslast der Schulden gemäß den Berechnungen des CBO mittlerweile stark in Richtung von 4 Prozent vom BIP. Selbst ein konstantes Wirtschaftswachstum im Bereich von 2,5 Prozent des BIP ohne jegliche Rezession in den kommenden Jahren reicht folglich nicht mehr aus, um die Zinslast der Schulden zu bedienen. Anders ausgedrückt wachsen die Finanzierungskosten der USA schneller als das Wirtschaftswachstum.

Aus einer fundamentalen Analyse würde man einem Unternehmen mit einer derartigen Bilanzstruktur (Zinskosten größer als Wachstum) nur für kurze Zeit und mit deutlichen Risikoaufschlägen weiteres Geld leihen, falls man sich überhaupt dazu durchringen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass weder Demokraten noch Republikaner in den USA den geringsten Willen zeigen dieses Problem zu adressieren. In anderen Ländern sieht dies kaum anders aus. Wenige Länder wie Deutschland oder auch Portugal befinden sich auf einem verhältnismäßig vernünftigen Fiskalpfad.
Bleiben die Zinsen weiterhin höher als gedacht, dann werden die Staaten früher oder später gezwungen sein sich mit dem Problem auseinander zu setzen.

Zinswende eingeläutet

Auch vor diesem Hintergrund haben die Zentralbanken den Zinssenkungszyklus fest im Blick. Die EZB hat im Juni ihren Leitzins erstmals um 25 Basispunkte gesenkt und wird in diesem Jahr mindestens noch einen weiteren vergleichbaren Schritt vornehmen.

Ob ein dritter Schritt erfolgt, hängt unserer Meinung nach an der amerikanischen Notenbank FED. Wir sehen momentan nicht, dass der Zinssenkungszyklus in der Eurozone stärker ausfallen sollte als in den USA und halten daher europäische Leitzinssenkungen um mehr als ein halbes Prozent im Vergleich zur FED für äußerst unwahrscheinlich. Dies würde den Euro unnötig unter Druck setzen.

Nimmt man die Kommunikation der FED seit November letzten Jahres als Maßstab, dann werden auch in den USA die Zinsen bald gesenkt, lediglich der Zeitpunkt steht ob der amerikanischen Präsidentschaftswahl noch nicht fest. Wir haben lange den Standpunkt vertreten, dass die FED aufgrund der starken Wirtschaftsentwicklung mit einer frühzeitigen Zinssenkung einen geldpolitischen Fehler begehen würde.

Mittlerweile müssen wir aber konstatieren, dass sich die Wachstumsindikatoren in den USA so stark eingetrübt haben, dass eine Zinssenkung im September gerechtfertigt sein könnte. In besonderem Maße, falls die Konjunkturdaten der kommenden Wochen ebenfalls schwach notieren. Angesichts der Fiskalversprechen der Präsidentschaftskandidaten und deren inflationärer Wirkung halten wir es aber für opportun eine abwartende Haltung einzunehmen, um zu bewerten welche Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl herrschen.

Geopolitik voller Krisenherde

In der (Geo-)Politik steckt momentan so viel Eskalationspotential wie seit Jahrzehnten nicht. Allein in den letzten Wochen gab es etliche Entwicklungen, welche nicht für eine Beruhigung der geopolitischen Lage sprechen.

Nordkorea und Russland haben eine strategische (Waffen-)Partnerschaft vereinbart. Rechtsruck bei der Europawahl sowie Linksruck bei vorgezogenen Neuwahlen in Frankreich. Israel wird immer häufiger in militärische Auseinandersetzungen mit der Hisbollah verstrickt. Territorialkonflikte um Ölfördergebiete in der Region Guyana. Immer neue Eskalation in der südchinesischen See zwischen den Philippinen und China. Und zuletzt auch die vorläufigen Zölle der EU auf Elektrofahrzeuge aus China.

Zudem rückt die Präsidentschaftswahl in den USA in den Fokus, wo nach dem ersten Fernsehduell augenscheinlich noch nicht einmal die Kandidatenfrage final geklärt ist.
Für die Kapitalanlage gilt, dass geopolitische Ereignisse Volatilität auslösen können, aber schwer prognostizierbar sind. Wir reagieren in den Portfolien, sobald etwas analysierbar ist und vermeiden mit einer breiten Diversifikation Klumpenrisiken sowie Spekulation.

Wie einschneidend die Geopolitik sein könnte, zeigt eine aktuelle Studie der Investmentbank Goldman Sachs. Sollte Donald Trump seine propagierte Handelspolitik mit den kursierenden Zöllen ungehindert umsetzen, so prognostizieren die Banker, wird die FED gezwungen sein den aktuellen Leitzins um 1,25 Prozent zu erhöhen, um die inflationäre Wirkung zu dämpfen.

Anlagestrategie

Unser makroökonomisches Bild ändert sich langsam. Wir sehen die Weltwirtschaft und insbesondere die USA in einer spätzyklischen Phase. Die Wachstumssorgen überwiegen mittlerweile im Vergleich zu den Inflationssorgen und so beginnen die Zentralbanken vergleichsweise früh gegenzusteuern und die Zinsen zu senken. Da die Inflation aber noch nicht unter das Zentralbankziel von zwei Prozent zurückgekehrt ist, erwarten wir nicht, dass die Zinssenkungen ohne einen exogenen Schock allzu stark ausfallen werden. Dementsprechend rechnen wir mit einem immer noch höheren Zinsniveau als vor einigen Jahren. Für unsere Anlagestrategie ergibt sich dadurch noch wenig Änderungsbedarf. Wir richten die Portfolien weiterhin defensiv aus.

Aktien

Die Aktienmärkte entwickelten sich im ersten Halbjahr beflügelt von den Hoffnungen auf baldige Leitzinssenkungen im Zusammenspiel mit einer anhaltenden Euphorie rund um das Thema der künstlichen Intelligenz (KI) sehr gut. Dabei reichten solide Unternehmensergebnisse aus, um die Kursrallye nicht zu gefährden. Wir sind von den möglichen Anwendungsfeldern der Künstlichen Intelligenz sehr angetan. Allerdings müssen wir konstatieren, dass momentan die Euphorie um das Thema dafür sorgt, dass sich bei einigen Titeln die Kursentwicklungen von den Fundamentaldaten entkoppeln. Die Bewertungen für Unternehmen aus dem Technologiebereich insbesondere mit KI-Bezug sind mittlerweile sehr ambitioniert und müssen mittelfristig durch entsprechende Ergebnisse untermauert werden.

Zurzeit wird allerdings viel Geld investiert, welches noch keinen Ertrag abwirft. Die großen Technologieunternehmen investieren Milliardenbeträge in Rechenzentren und Forschung und werden früher oder später Ergebnisse für diese Investitionen sehen wollen. Und diese stellen sich schwer ein, wie ein Bericht der New York Times aufzeigt. In den vergangenen drei Jahren haben Investoren aus dem Venture Capital-Bereich 330 Mrd. USD in 26.000 Start-Up Unternehmen investiert, was einem Anstieg vergleichbarer Investitionen um zwei Drittel zur Periode von 2018-2020 entspricht. Allein im vergangenen Jahr verfünffachte sich die Investitionssumme in Unternehmen mit Bezug zu generativer KI. Dabei erwirtschaften aktuell die allerwenigsten dieser Unternehmen einen Gewinn, sondern im Gegenteil, sind auf immer neue Finanzierungsrunden angewiesen, um zu überleben.

Dementsprechend sollte man bei Investitionen in diesen Bereich mittlerweile Vorsicht walten lassen. Umgekehrt muss man sich aber nicht zwangsläufig aus Investments verabschieden, da derartige Diskrepanzen zwischen Kursen und Fundamentaldaten mitunter lange andauern können. Ein weiterer Grund zur Vorsicht ist die fehlende Breite der Kursbewegung der vergangenen Monate, d.h. dass sich lediglich wenige Unternehmen für die Wertentwicklung der Indizes verantwortlich zeichnen.

Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass sich im Aktienmarkt noch einige Unternehmen mit vernünftigen Bewertungen und guten Geschäftsaussichten finden lassen.
Unseres Erachtens spricht das makroökonomische Umfeld dafür, weiterhin investiert zu bleiben. Allerdings würden wir anraten regelmäßig etwaige Gewinne bei den erfolgreichen Unternehmen dieses Jahres zu realisieren und aktiv weitere Opportunitäten zu nutzen.

Wir bleiben angesichts des späten Konjunkturzyklus defensiv positioniert und angesichts geopolitischer Unsicherheiten innerhalb der Wirtschaftsregionen ausgewogen diversifiziert.
Bei der Selektion legen wir traditionell einen starken Fokus auf Qualitätsunternehmen. Diese sollten in unsicheren Zeiten mit geringen Verschuldungsgraden und ausgeprägten Wettbewerbsvorteilen stabile Gewinnmargen erwirtschaften. Durch unseren aktiven Investmentstil werden wir ferner Opportunitäten nutzen, sobald sich diese kristallisieren.

Anleihen

Der Zinssenkungszyklus der Zentralbanken beginnt, so dass Investments in Anleihen auch vor dem Hintergrund eines abflauenden Wachstumsumfelds attraktiv sind. Die absoluten Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen bewegen sich nach wie vor in einem historisch attraktiven Bereich.

Allerdings sind die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen sehr gering, so dass man selektiv vorgehen sollte. Wir mögen insbesondere noch europäische Unternehmensanleihen bester Bonität. Deren Bilanzen sind oftmals besser als die der Staaten, in denen sie operieren. Ihre Gewinnsituation ist stabil und auch die Kreditausfälle sind momentan noch sehr gering. Zudem werden in diesem Segment aktuell noch mehr Unternehmen von den Ratingagenturen in ihrer Kreditwürdigkeit herauf- als herabgestuft, was für einen technisch unterstützen Markt spricht.

Rohstoffe/Alternative Investments

Gold hat sich im vergangenen Halbjahr beeindruckend entwickelt. Geopolitische Spannungen, Zinssenkungen sowie eine expansive Fiskalpolitik der Staaten und Regierungen sorgten für Höchststände.

Da dieses Umfeld unserer Meinung nach anhalten wird, halten wir Gold weiterhin für eine interessante Portfoliobeimischung zur Diversifikation. Zudem kauften viele Zentralbanken Goldbestände, um sich in ihrer Währungsabhängigkeit vom US-Dollar zu lösen. Dies eröffnet zukünftig unseres Erachtens Unterstützungskäufe sollte das Edelmetall stärker im Kurs fallen.
Alternative Investments zeigen gerade in volatilen Zeiten ihren Diversifikationsnutzen und werden von uns daher aktuell präferiert.

Fazit

Die Aktienmärkte sind im ersten Halbjahr durch Hoffnungen auf baldige Leitzinssenkungen im Zusammenspiel mit einer anhaltenden Euphorie um das Thema der künstlichen Intelligenz auf immer neue Höchststände gestiegen.

Wir halten mittlerweile Zinssenkungen auch in den USA für gerechtfertigt, da sich das Wachstumsumfeld spürbar eintrübt und sich die Inflationssorgen in Wachstumssorgen wandeln. Wir sehen den Konsum abnehmen und erkennen immer deutlicher Abkühlungstendenzen am Arbeitsmarkt. In der Eurozone hat eine erste Zinssenkung stattgefunden, was ob der ausbleibenden Wachstumsdynamik der hiesigen Wirtschaft opportun ist. China hingegen befindet sich nach wie vor in einem deflationären Umfeld und müsste expansive Fiskal- und Geldpolitik betreiben, um das historisch schwache Wachstum zu beflügeln.

Da die Inflationsraten noch nicht im Zielbereich der Zentralbanken angekommen sind, halten wir das Zinssenkungspotential aktuell für begrenzt, so dass wir ein höheres Zinsniveau als vor ein paar Jahren erwarten. Mittelfristig sehen wir eine Schuldenkrise aufziehen, welche sich allerdings erst sukzessive auswirken wird. Unmittelbar ist die Gefahr, die von den mannigfaltigen geopolitischen Konfliktherden rund um den Globus ausgehen.

Wir sehen die globale Wirtschaft in einem spätzyklischen Umfeld mit abnehmendem Wachstum. Zudem erkennen wir Kursübertreibungen bei einigen Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wir bleiben daher unseren Investments in Qualitätstiteln treu und verbleiben in einer defensiven Portfoliopositionierung. Anleihen halten wir angesichts dieses Wachstumsausblicks mit beginnenden Leitzinssenkungen für attraktiv. Dabei bevorzugen wir nach wie vor Unternehmensanleihen guter Bonität im mittleren Laufzeitenband.

Gold besitzt aufgrund seines Status als sicherer Hafen eine Rolle im Portfolio und spielt im aktuellen Marktumfeld seine Stärken aus. Zudem könnten Zentralbankkäufe Kursverluste in den kommenden Monaten abfedern. Alternative Investments präferieren wir in volatilen Phasen.

 

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