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Stimmung am Gefrierpunkt

Die Nachrichtenlage ist beunruhigend. Die Inflation ist so hoch wie seit den frühen 80er Jahren nicht mehr und bedroht den globalen Wohlstand. In Europa herrschen Krieg und eine Energiekrise. Die Stimmung in der Wirtschaft ist so pessimistisch wie zuletzt während der großen Finanzmarktkrise 2008/2009. Zudem korrigieren die Wertpapierkurse in Reaktion auf dieses Umfeld seit Beginn des Jahres massiv. In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig sich nicht von Emotionen leiten zu lassen, sondern die Lage fundamental und mit Blick auf die langfristigen Entwicklungen zu analysieren.

Assetpreis-Deflation setzt sich fort

Die nackten Zahlen an den Finanzmärkten sprechen zunächst eine deutliche Sprache. Das abgelaufene Quartal markierte das Dritte in Folge mit simultan fallenden Aktien- und Anleihenotierungen. Die im letzten Marktkommentar beschriebene Assetpreis-Deflation setzte sich somit unvermindert fort. Die kursbewegenden Faktoren bleiben unverändert: 1) Inflationsentwicklung und Auswirkungen auf die Zentralbankpolitik 2) Entwicklung der Realwirtschaft mit steigender Rezessionsgefahr 3) Geopolitik Diese Faktoren sind interdependent. Sie bedingen, beeinflussen und verstärken sich gegenseitig. Die großen Anlageregionen sind von diesen Herausforderungen unterschiedlich stark betroffen.

USA: Silberstreif am Horizont? Inflationszahlen nahe der Höchstraten

In den Vereinigten Staaten sind die Inflationszahlen auch im dritten Quartal angestiegen. Im September lag der Verbraucherpreisindex (CPI) um 8,2 Prozent höher als im Vorjahr. Wir haben die Erwartung, dass wir uns mittlerweile nahe der Höchstraten bewegen und in den kommenden Monaten schwächere Steigerungsraten sehen werden. Rückläufige Rohstoff- und insbesondere Gaspreise sowie ein sich spürbar verlangsamender Immobilienmarkt senden positive Signale hinsichtlich der künftigen Inflationsentwicklung. Die Konsensschätzung der Volkswirte hält sogar einen Rückgang der Inflation in das Zielband der amerikanischen Notenbank (FED) bei 2 Prozent für möglich. Diesen Optimismus teilen wir nicht. Wir erwarten die Größenordnung des Rückgangs deutlich geringer und folglich eine Inflationsrate spürbar oberhalb des FED-Ziels. Mit Sorge betrachten wir insbesondere Zweitrundeneffekte. Der Arbeitsmarkt in den USA ist sehr stark und folglich sind erhöhte Lohnabschlüsse wahrscheinlich. Die regionale Notenbank aus Atlanta erwartet einen Lohnzuwachs in der Größenordnung von 6,7 Prozent. Zudem droht mit dem Abkühlen des Immobilienmarktes ein Anstieg der Nachfrage nach Mietobjekten und in der Folge ein Anstieg der Mieten. Grundsätzlich ist der Inflationsanstieg mittlerweile auch nicht mehr nur auf wenige Güter und Dienstleistungen zurückzuführen, sondern zeigt sich in der Breite. Der Rückgang der Inflation dürfte derweil der FED die Möglichkeit einer Verschnaufpause im Zinserhöhungszyklus geben. Wir gehen davon aus, dass die Notenbank aufgrund des vorherrschenden Teuerungsdrucks die Zinsen bis zum Jahreswechsel noch in den Bereich um 4,5 anheben könnte, um danach abzuwarten wie sich zukünftig die rasante Anhebung des Leitzinses auf die Inflation und die Wirtschaftsentwicklung auswirkt. In den vergangenen sechs Monaten haben wir einen Leitzinsanstieg von 3 Prozentpunkten gesehen. Üblicherweise zeigt sich die Wirkung höherer Zinsen mit 12 bis 18 Monaten Zeitverzug in den realwirtschaftlichen Daten, daher halten wir ein Pausieren im kommenden Jahr für vernünftig. Der Marktkonsens ist optimistisch und erwartet für den März kommenden Jahres Inflationsraten unter 4 Prozent und damit einhergehend die Möglichkeit schwächerer Leitzinsen in der zweiten Jahreshälfte. Aufgrund unseres vorsichtigen Inflationsausblicks würden wir nicht auf einen Leitzinsrückgang setzen, solange sich die Wirtschaft robust zeigt. Vielmehr sehen wir ein Szenario eines zweiten Zinserhöhungszyklus nach einer Pause noch gar nicht im Markt reflektiert. Die Realwirtschaft in den USA präsentiert sich nach wie vor äußerst robust. Der Arbeitsmarkt ist historisch stark, die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 3,5 Prozent faktisch auf dem Niveau der Vollbeschäftigung. Hinzu kommt, dass aktuell ca. 6 Millionen Arbeitssuchenden eine rekordhohe Zahl an ausgeschriebenen Stellen von ca. 11 Millionen gegenübersteht. Durch den Arbeitsmarkt unterstützt und durch die langsam abflachende Inflation nicht abgeschreckt ist der private Konsum in den USA nach wie vor ungebrochen und stützt die Wirtschaft. Diese Daten sprechen klar gegen eine Rezession in den USA zum jetzigen Zeitpunkt. Zieht man allerdings den Transmissionsmechanismus der Wirkung höherer Leitzinsen ins Kalkül, dann dürften sich Mitte des kommenden Jahres die ersten realwirtschaftlichen Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik zeigen. Unternehmen müssen höhere Kosten durch immer noch hohe Rohstoffpreise und Vorprodukte sowie einer prognostizierten Lohnsteigerung von fast 7 Prozent zu einer Zeit verdauen, in der die Finanzierungskosten massiv angehoben wurden. Dies wird sich unserer Meinung nach unweigerlich auf die Margen der Unternehmen und ihr Investitionsverhalten auswirken. Dadurch könnte dann eine klassische konjunkturelle Abwärtsspirale in Gang treten: Mangelnde Investitionen führen zu einer sinkenden Investitionsgüternachfrage. Kosten müssen eingespart werden, oftmals durch die Entlassung von Arbeitskräften. Dies schwächt den privaten Konsum, was wiederum die Einnahmenseite der Unternehmen belastet. Dies wirkt sich negativ auf das BIP-Wachstum aus. Diese Entwicklung wird unseres Erachtens für die größte Volkswirtschaft der Welt spätestens Ende 2023/ Anfang 2024 in einer Rezession münden. Diese erwarten wir aufgrund des starken konjunkturellen Ausgangsniveaus sowie der gesunden Bilanzen der Unternehmen und Privathaushalte nach der Corona-Pandemie allerdings nicht sehr ausgeprägt. Sollte dies so eintreten, werden aber auch konjunkturell stützende Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik begrenzt ausfallen oder sogar ausbleiben. Dieses Szenario würde implizieren, dass eine Rezession, auch wenn sie vergleichsweise mild ist, länger andauern könnte als in der Vergangenheit.

Europa: Keine guten Lösungsoptionen

Für Europa sind wir weitaus pessimistischer, was die mittelfristigen Konjunkturaussichten betrifft. Die Eurozone verbuchte im September mit einer Verbraucherpreisinflation von 10 Prozent die erste zweistellige Inflationsrate in ihrer Geschichte. In Europa herrscht Krieg und der wirtschaftliche Preis ist durch hohe Energiekosten direkt für private Haushalte und Unternehmen spürbar. Die Wintermonate werden für die Mitgliedsstaaten bei der Energieversorgung zur Belastungsprobe. Die Gefahr von Energierationierungen bis hin zu Blackouts sind real, insbesondere wenn sich die Hoffnung auf einen milden Winter zerschlägt. Die Inflationsentwicklung wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten noch einmal an Fahrt gewinnen, daher erwarten wir neue Rekordwerte. Zweitrundeneffekte wie in den USA wird es auch in der Eurozone geben. So haben die Gewerkschaften Verdi und die Tarifunion des Deutschen Beamtenbunds (dbb) für 2,5 Mio. Beamte in Deutschland zuletzt eine Lohnerhöhung um 10,5 Prozent für die kommenden 12 Monate gefordert. Die europäische Zentralbank (EZB) ist in ihrem Zinserhöhungszyklus den USA weit hinterher und wird in diesem Jahr kaum zu einer Reduktion der Inflation beitragen können. In den beiden letzten Ratssitzungen wurden die Leitzinsen erstmals seit der Eurokrise 2011 angehoben, um insgesamt 1,25 Prozent. Das große Dilemma der Zentralbank besteht in der Abhängigkeit der europäischen Staaten von günstigen Finanzierungsbedingungen. Die hohe Staatsverschuldung einzelner Länder wie zum Beispiel Italien kann bei zu stark steigenden Leitzinsen zu großen Refinanzierungsproblemen führen. Daher wurde mit der ersten Zinserhöhung im Juli dieses Jahres ein sogenanntes „Transmission Protection Instrument“ (TPI) ins Leben gerufen. Dieses erlaubt der EZB unter gewissen Voraussetzungen Staatsanleihen von Staaten zu erwerben, deren Finanzierungskosten (Spreads) als Folge von Leitzinserhöhungen überproportional steigen. Die langfristige Wirksamkeit dieses Instruments darf aus unserer Sicht bezweifelt werden und dürfte beizeiten vom Markt einem Härtetest unterzogen werden. Des Weiteren ist die Wirtschaftskraft der Eurozone nicht zuletzt durch den Krieg äußerst schwach zu einem Zeitpunkt, in dem die EZB anfängt, ihre Geldpolitik restriktiver zu gestalten. Für das kommende Jahr rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute mit einer Rezession für Deutschland und auch die Eurozone dürfte eine Rezession nur schwer abwenden können. Die Marktteilnehmer rechnen bis zum Ende des Jahres mit weiteren Leitzinserhöhungen um 1,25 Prozent auf dann 2,5 Prozent, ein Level auf dem analog zur amerikanischen Notenbank erst einmal gewartet werden könnte, wie sich die weitere Wirtschaftsentwicklung gestaltet. Diese Pause im Zyklus ist aber vorrangig wachstumsseitig motiviert und sicherlich nicht ausreichend, um der Inflation Herr zu werden. Als Faustformel einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung gilt, dass die Leitzinsen höher als die erwartete Inflationsrate sein sollten. Die Diskrepanz bei einem Leitzins von 2,5 Prozent und einer zweistelligen Inflationsrate ist allerdings zu ausgeprägt für diese Zwecke.

China: Wild Card mit politischen Risiken

China könnte unseres Erachtens im kommenden Jahr für eine Überraschung gut sein. Eine wirtschaftsfeindliche Politik (Zero Covid-Maßnahmen, Regulierung diverser Branchen, Common Prosperity), große Probleme im Immobiliensektor sowie ein offen ausgetragener Wirtschaftskrieg mit den Vereinigten Staaten sorgten für zwei wirtschaftlich sehr schlechte Jahre. Beim diesjährigen Volkskongress wird Xi Jinping für 5 weitere Jahre gewählt und mit der Besetzung wichtiger Positionen im Politbüro wird die Politik der Planwirtschaft strategisch neu ausgerichtet. Hier warten Investoren auf einen überzeugenden wirtschaftlichen Wachstumsplan und eine Abkehr von der Zero Covid-Politik. Wir beobachten seit Monaten eine Aufweichung der Zero Covid-Politik. Hong Kong als Enklave der Volksrepublik hat Quarantänebestimmungen für Reisende aufgehoben und erstmals BionTechs Coronaimpfstoff für Kinder zugelassen. Zudem hat Präsident Xi im September zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Pandemie wieder eine Auslandsreise unternommen. Des Weiteren werden Immobilienüberkapazitäten für den Bau von gigantischen Krankenhäusern genutzt, in denen Corona-Kranke bestens behandelt werden könnten. Allerdings erwarten wir keinen medienwirksamen großen Knall bei der Aufhebung der restriktiven Gesundheitspolitik, sondern ein sukzessives Öffnen, bei dem es weiterhin immer wieder zu Lockdowns kommen kann. Auf die Signale aus dem Volkskongress hinsichtlich der Wirtschaftspolitik schauen wir mit Interesse und bei einer wirtschaftsfreundlicheren Politik sehen wir durchaus Chancen eines Comebacks. Denn China hat geringe Inflationsraten und die Zentralbank kann folglich stimulierende Impulse setzen. Zudem erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer Wirtschaftsprognose für China eine Wirtschaftsbelebung fürs kommende Jahr. Das Wirtschaftswachstum wird sich laut Schätzung auf 4,7 Prozent belaufen.

Geopolitik

Der Krieg in der Ukraine bleibt ein nicht kalkulierbares Risiko. Eine erfolgreiche Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte mit deutlichen Geländegewinnen lassen in Kiew die Bereitschaft zu neuerlichen Verhandlungen mit Russland gegen Null tendieren. Derweil rief Russland eine Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten aus, führte über Scheinreferenden eine Annexion ukrainischer Regionen durch und droht unverhohlen mit einem Einsatz von Nuklearwaffen im weiteren Kriegsverlauf. Auch Entwicklungen im Iran, in Nordkorea und dem weiter offen ausgetragenen Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China beobachten wir sehr genau.

Ableitungen für die Anlagestrategie

Das skizzierte makroökonomische Umfeld bleibt herausfordernd und lässt die Kapitalmärkte mittelfristig volatil bleiben. Das geldpolitische Experiment der Null- oder gar Negativzinsen wurde jäh beendet und die Leitzinsen auf ein Vielfaches angehoben. Die Auswirkungen dieser global konzertierten, restriktiven Geldpolitik wird man erst in absehbarer Zeit beurteilen können. Die massive Liquiditätsreduktion ist nicht risikolos und kann ungewollte Probleme in der Realwirtschaft auslösen. So musste die Bank of England zuletzt am Markt intervenieren, da britische Pensionsfonds aufgrund von Zinswetten in Schwierigkeiten geraten waren. Wir sind der festen Überzeugung, dass aktives Vermögensmanagement in diesen Zeiten unabdingbar ist für die Kapitalanlage. In dem sich rasant entwickelnden Umfeld muss schnell und analytisch reagiert werden, um Risiken zu begrenzen, aber auch um Opportunitäten zu nutzen. Aktuell haben wir unsere Portfolien defensiv ausgerichtet und legen den Fokus eindeutig auf Risikomanagement und Werterhalt. Der Grundsatz lautet „Hope for the best, prepare for the worst“. Wir sehen aber auch Opportunitäten am Markt. Sollte sich die Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten stabilisieren und die Teuerungsraten rückläufig sein, besteht die Möglichkeit, dass die Zinsen ihren vorläufigen Höhepunkt sehen. Dies würde den Rentenmarkt stabilisieren und in der Folge auch die Kredit- und Aktienmärkte begünstigen. Im Detail sehen wir die einzelnen Anlageklassen wie folgt:

Anleihen

Anleihen sind seit langer Zeit wieder interessant. Die Zinsen geben ihr Comeback und durch die zwischenzeitlich höchsten Kursverluste seit über 40 Jahren gibt es nun wieder attraktive Einstandsrenditen. Betrachtet man europäische Unternehmensanleihen mit bester Bonität, sieht man eine bemerkenswerte Renditeentwicklung. Vor etwas mehr als einem Jahr, am 31.7.2021, notierten diese Anleihen bei mageren 0,2 Prozent p.a., während aktuell eine Einstandsrendite in der Größenordnung von 4,25 Prozent p.a. erworben werden kann. Die Rendite hat sich also mehr als verzwanzigfacht. Die Einstandsrendite ist die Rendite, welche man jährlich vereinnahmt, wenn in dem breit diversifizierten Korb an Anleihen bester Bonität keine Kreditausfälle auftreten. Da wir von einer Rezession in der Eurozone ausgehen, müssen wir allerdings auch Kreditausfälle ins Kalkül ziehen. Diese lagen in der Vergangenheit im Investment Grade-Bereich in Europa aber im Schnitt unter 1 Prozent der Anleihen. Wir würden sogar mit noch geringeren Ausfällen rechnen, da viele Unternehmen insbesondere nach der Corona-Pandemie über sehr gesunde Bilanzen verfügen. Auch im Vergleich zur Aktienanlage ist die Rendite mittlerweile attraktiv. Für den Eurostoxx 50 beläuft sich die Dividendenrendite auf etwa 3,5 Prozent. Staatsanleihen finden wir nach wie vor lediglich taktisch als Rezessionsabsicherung interessant. Das absolute Renditeniveau erscheint uns für ein strategisches Investment noch zu unattraktiv. Die attraktive Einstandsrendite bei Hochzinsanleihen erkauft man sich mit einem erhöhten Ausfallrisiko. Dieses wird in einer Rezession noch einmal ansteigen. Daher glauben wir, dass es noch zu früh für ein Investment ist und es noch günstigere Einstiegskurse geben wird.

Aktien

Die Aktienwerte werden auch mittelfristig weiterhin sehr volatil bleiben. Für eine Jahresendrallye spricht das äußerst pessimistische Sentiment der Investoren. Schon wenige positive Nachrichten könnten einen vorübergehenden Kursanstieg auslösen. Die letzte Bärenmarktrallye im Juni führte zu Kursgewinnen gemessen am MSCI World von in der Spitze 18 Prozent. Eine solide Berichtssaison oder fallende Inflationsraten könnten der Auslöser einer solchen Gegenbewegung sein. Mittelfristig erwarten wir allerdings, dass die aufziehende Rezession ein fundamental herausforderndes Umfeld für Aktienanlagen darstellen wird. Dieses sehen wir noch nicht ausreichend in den Kursen reflektiert. Wir denken daher, dass die Analysten ihre Gewinnschätzungen für 2023 in der anstehenden Berichtssaison nach unten anpassen werden. Wir bleiben dementsprechend defensiv positioniert. Bei der Selektion fokussieren wir uns ausschließlich auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Wir bevorzugen weiterhin Substanztitel, sehen aber bei einem Abflachen der Inflationszahlen Potenzial für eine Aufstockung von Wachstumswerten. Regional sehen wir die größten Chancen in den USA. Bei Investments in Europa und Asien halten wir uns aktuell noch zurück. Langfristig orientierte Investoren können die starken Kursverluste der letzten Monate nutzen, um tranchiert in den Markt einzusteigen. Faire bis günstige Bewertungsniveaus versprechen Anlegern mit einem längeren Investmenthorizont attraktive Erwartungsrenditen, deutlich attraktiver als noch vor einem Jahr.

Gold und Alternative Investments

Gold hat sich im vergangenen Quartal wie von uns erwartet negativ entwickelt. Für einen Euro-Investor fiel der Verlust wegen des starken US-Dollars vergleichsweise moderat aus. Rechnet man den Währungseffekt hinaus, verlor Gold allerdings fast 8 Prozent an Wert. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass Gold mit steigenden Zinsen, einem starken US-Dollar und der Aussicht auf mittelfristig rückläufige Inflationsdaten als Portfoliopositionierung fundamental nur bedingt attraktiv ist. Wir bleiben untergewichtet, behalten aber eine Position als Absicherung gegen geopolitische Risiken im Portfolio. Alternative Investments nutzen wir weiterhin zur breiten Diversifikation und sehen darin in volatilen Zeiten einen wertvollen unkorrelierten Portfoliobestandteil.

Fazit

Der Krieg in der Ukraine und eine ausufernde Inflation werden in einer Rezession für Europa und die USA münden. Wir glauben, dass die Inflation im weiteren Verlauf zurückgehen, allerdings oberhalb der Zentralbankziele verharren wird. Die Zentralbanken können daher im kommenden Jahr eine Pause im Zinserhöhungszyklus einlegen, um zu sehen wie sich die bisherigen Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum und die Inflationsentwicklung ausgewirkt haben, um anschließend ihre Geldpolitik entsprechend zu adjustieren. Aktienbewertungen erscheinen langfristig fair bis günstig, allerdings sehen wir angesichts der Rezessionserwartung weitere Gewinnrevisionen für 2023. Die Märkte werden folglich volatil bleiben. Dementsprechend haben wir unser Portfolio defensiv positioniert, um robust gegen etwaige Kursrückgänge aufgestellt zu sein. Unternehmensanleihen bester Bonität bieten nach ihren historischen Kursverlusten seit langer Zeit wieder eine echte Investmentalternative. Staatsanleihen sind von ihrer Rendite für ein strategisches Investment nach wie vor wenig attraktiv, können im Falle einer Rezession aber wertvoll fürs Portfolio werden. Gold hat fundamental betrachtet an Attraktivität verloren, besitzt aber aufgrund seiner Absicherungseffekte gegen geopolitische Risiken nach wie vor einen Platz im Portfolio. Alternative Investments mischen wir zur breiten Diversifikation unvermindert bei." ["post_title"]=> string(34) "Marktkommentar zum 4. Quartal 2022" ["post_excerpt"]=> string(0) "" ["post_status"]=> string(7) "publish" ["comment_status"]=> string(6) "closed" ["ping_status"]=> string(6) "closed" ["post_password"]=> string(0) "" ["post_name"]=> string(35) "marktkommentar-zum-4-quartal-2022-2" ["to_ping"]=> string(0) "" ["pinged"]=> string(0) "" ["post_modified"]=> string(19) "2022-10-25 15:31:33" ["post_modified_gmt"]=> string(19) "2022-10-25 13:31:33" ["post_content_filtered"]=> string(0) "" ["post_parent"]=> int(0) ["guid"]=> string(36) "https://portfolio-concept.de/?p=9463" ["menu_order"]=> int(0) ["post_type"]=> string(4) "post" ["post_mime_type"]=> string(0) "" ["comment_count"]=> string(1) "0" ["filter"]=> string(3) "raw" }

Marktkommentar zum 4. Quartal 2022

Stimmung am Gefrierpunkt

Die Nachrichtenlage ist beunruhigend. Die Inflation ist so hoch wie seit den frühen 80er Jahren nicht mehr und bedroht den globalen Wohlstand. In Europa herrschen Krieg und eine Energiekrise. Die Stimmung in der Wirtschaft ist so pessimistisch wie zuletzt während der großen Finanzmarktkrise 2008/2009. Zudem korrigieren die Wertpapierkurse in Reaktion auf dieses Umfeld seit Beginn des Jahres massiv. In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig sich nicht von Emotionen leiten zu lassen, sondern die Lage fundamental und mit Blick auf die langfristigen Entwicklungen zu analysieren.

Assetpreis-Deflation setzt sich fort

Die nackten Zahlen an den Finanzmärkten sprechen zunächst eine deutliche Sprache. Das abgelaufene Quartal markierte das Dritte in Folge mit simultan fallenden Aktien- und Anleihenotierungen. Die im letzten Marktkommentar beschriebene Assetpreis-Deflation setzte sich somit unvermindert fort.

Die kursbewegenden Faktoren bleiben unverändert:

1) Inflationsentwicklung und Auswirkungen auf die Zentralbankpolitik
2) Entwicklung der Realwirtschaft mit steigender Rezessionsgefahr
3) Geopolitik

Diese Faktoren sind interdependent. Sie bedingen, beeinflussen und verstärken sich gegenseitig. Die großen Anlageregionen sind von diesen Herausforderungen unterschiedlich stark betroffen.

USA: Silberstreif am Horizont? Inflationszahlen nahe der Höchstraten

In den Vereinigten Staaten sind die Inflationszahlen auch im dritten Quartal angestiegen. Im September lag der Verbraucherpreisindex (CPI) um 8,2 Prozent höher als im Vorjahr.
Wir haben die Erwartung, dass wir uns mittlerweile nahe der Höchstraten bewegen und in den kommenden Monaten schwächere Steigerungsraten sehen werden. Rückläufige Rohstoff- und insbesondere Gaspreise sowie ein sich spürbar verlangsamender Immobilienmarkt senden positive Signale hinsichtlich der künftigen Inflationsentwicklung.

Die Konsensschätzung der Volkswirte hält sogar einen Rückgang der Inflation in das Zielband der amerikanischen Notenbank (FED) bei 2 Prozent für möglich. Diesen Optimismus teilen wir nicht. Wir erwarten die Größenordnung des Rückgangs deutlich geringer und folglich eine Inflationsrate spürbar oberhalb des FED-Ziels. Mit Sorge betrachten wir insbesondere Zweitrundeneffekte. Der Arbeitsmarkt in den USA ist sehr stark und folglich sind erhöhte Lohnabschlüsse wahrscheinlich. Die regionale Notenbank aus Atlanta erwartet einen Lohnzuwachs in der Größenordnung von 6,7 Prozent.

Zudem droht mit dem Abkühlen des Immobilienmarktes ein Anstieg der Nachfrage nach Mietobjekten und in der Folge ein Anstieg der Mieten. Grundsätzlich ist der Inflationsanstieg mittlerweile auch nicht mehr nur auf wenige Güter und Dienstleistungen zurückzuführen, sondern zeigt sich in der Breite.

Der Rückgang der Inflation dürfte derweil der FED die Möglichkeit einer Verschnaufpause im Zinserhöhungszyklus geben. Wir gehen davon aus, dass die Notenbank aufgrund des vorherrschenden Teuerungsdrucks die Zinsen bis zum Jahreswechsel noch in den Bereich um 4,5 anheben könnte, um danach abzuwarten wie sich zukünftig die rasante Anhebung des Leitzinses auf die Inflation und die Wirtschaftsentwicklung auswirkt. In den vergangenen sechs Monaten haben wir einen Leitzinsanstieg von 3 Prozentpunkten gesehen.

Üblicherweise zeigt sich die Wirkung höherer Zinsen mit 12 bis 18 Monaten Zeitverzug in den realwirtschaftlichen Daten, daher halten wir ein Pausieren im kommenden Jahr für vernünftig. Der Marktkonsens ist optimistisch und erwartet für den März kommenden Jahres Inflationsraten unter 4 Prozent und damit einhergehend die Möglichkeit schwächerer Leitzinsen in der zweiten Jahreshälfte.

Aufgrund unseres vorsichtigen Inflationsausblicks würden wir nicht auf einen Leitzinsrückgang setzen, solange sich die Wirtschaft robust zeigt. Vielmehr sehen wir ein Szenario eines zweiten Zinserhöhungszyklus nach einer Pause noch gar nicht im Markt reflektiert. Die Realwirtschaft in den USA präsentiert sich nach wie vor äußerst robust. Der Arbeitsmarkt ist historisch stark, die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 3,5 Prozent faktisch auf dem Niveau der Vollbeschäftigung. Hinzu kommt, dass aktuell ca. 6 Millionen Arbeitssuchenden eine rekordhohe Zahl an ausgeschriebenen Stellen von ca. 11 Millionen gegenübersteht. Durch den Arbeitsmarkt unterstützt und durch die langsam abflachende Inflation nicht abgeschreckt ist der private Konsum in den USA nach wie vor ungebrochen und stützt die Wirtschaft. Diese Daten sprechen klar gegen eine Rezession in den USA zum jetzigen Zeitpunkt.

Zieht man allerdings den Transmissionsmechanismus der Wirkung höherer Leitzinsen ins Kalkül, dann dürften sich Mitte des kommenden Jahres die ersten realwirtschaftlichen Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik zeigen. Unternehmen müssen höhere Kosten durch immer noch hohe Rohstoffpreise und Vorprodukte sowie einer prognostizierten Lohnsteigerung von fast 7 Prozent zu einer Zeit verdauen, in der die Finanzierungskosten massiv angehoben wurden. Dies wird sich unserer Meinung nach unweigerlich auf die Margen der Unternehmen und ihr Investitionsverhalten auswirken. Dadurch könnte dann eine klassische konjunkturelle Abwärtsspirale in Gang treten: Mangelnde Investitionen führen zu einer sinkenden Investitionsgüternachfrage. Kosten müssen eingespart werden, oftmals durch die Entlassung von Arbeitskräften. Dies schwächt den privaten Konsum, was wiederum die Einnahmenseite der Unternehmen belastet. Dies wirkt sich negativ auf das BIP-Wachstum aus.

Diese Entwicklung wird unseres Erachtens für die größte Volkswirtschaft der Welt spätestens Ende 2023/ Anfang 2024 in einer Rezession münden. Diese erwarten wir aufgrund des starken konjunkturellen Ausgangsniveaus sowie der gesunden Bilanzen der Unternehmen und Privathaushalte nach der Corona-Pandemie allerdings nicht sehr ausgeprägt. Sollte dies so eintreten, werden aber auch konjunkturell stützende Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik begrenzt ausfallen oder sogar ausbleiben. Dieses Szenario würde implizieren, dass eine Rezession, auch wenn sie vergleichsweise mild ist, länger andauern könnte als in der Vergangenheit.

Europa: Keine guten Lösungsoptionen

Für Europa sind wir weitaus pessimistischer, was die mittelfristigen Konjunkturaussichten betrifft. Die Eurozone verbuchte im September mit einer Verbraucherpreisinflation von 10 Prozent die erste zweistellige Inflationsrate in ihrer Geschichte. In Europa herrscht Krieg und der wirtschaftliche Preis ist durch hohe Energiekosten direkt für private Haushalte und Unternehmen spürbar. Die Wintermonate werden für die Mitgliedsstaaten bei der Energieversorgung zur Belastungsprobe. Die Gefahr von Energierationierungen bis hin zu Blackouts sind real, insbesondere wenn sich die Hoffnung auf einen milden Winter zerschlägt.

Die Inflationsentwicklung wird wahrscheinlich in den kommenden Monaten noch einmal an Fahrt gewinnen, daher erwarten wir neue Rekordwerte. Zweitrundeneffekte wie in den USA wird es auch in der Eurozone geben. So haben die Gewerkschaften Verdi und die Tarifunion des Deutschen Beamtenbunds (dbb) für 2,5 Mio. Beamte in Deutschland zuletzt eine Lohnerhöhung um 10,5 Prozent für die kommenden 12 Monate gefordert.

Die europäische Zentralbank (EZB) ist in ihrem Zinserhöhungszyklus den USA weit hinterher und wird in diesem Jahr kaum zu einer Reduktion der Inflation beitragen können. In den beiden letzten Ratssitzungen wurden die Leitzinsen erstmals seit der Eurokrise 2011 angehoben, um insgesamt 1,25 Prozent. Das große Dilemma der Zentralbank besteht in der Abhängigkeit der europäischen Staaten von günstigen Finanzierungsbedingungen. Die hohe Staatsverschuldung einzelner Länder wie zum Beispiel Italien kann bei zu stark steigenden Leitzinsen zu großen Refinanzierungsproblemen führen. Daher wurde mit der ersten Zinserhöhung im Juli dieses Jahres ein sogenanntes „Transmission Protection Instrument“ (TPI) ins Leben gerufen. Dieses erlaubt der EZB unter gewissen Voraussetzungen Staatsanleihen von Staaten zu erwerben, deren Finanzierungskosten (Spreads) als Folge von Leitzinserhöhungen überproportional steigen. Die langfristige Wirksamkeit dieses Instruments darf aus unserer Sicht bezweifelt werden und dürfte beizeiten vom Markt einem Härtetest unterzogen werden.

Des Weiteren ist die Wirtschaftskraft der Eurozone nicht zuletzt durch den Krieg äußerst schwach zu einem Zeitpunkt, in dem die EZB anfängt, ihre Geldpolitik restriktiver zu gestalten. Für das kommende Jahr rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute mit einer Rezession für Deutschland und auch die Eurozone dürfte eine Rezession nur schwer abwenden können.
Die Marktteilnehmer rechnen bis zum Ende des Jahres mit weiteren Leitzinserhöhungen um 1,25 Prozent auf dann 2,5 Prozent, ein Level auf dem analog zur amerikanischen Notenbank erst einmal gewartet werden könnte, wie sich die weitere Wirtschaftsentwicklung gestaltet. Diese Pause im Zyklus ist aber vorrangig wachstumsseitig motiviert und sicherlich nicht ausreichend, um der Inflation Herr zu werden.

Als Faustformel einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung gilt, dass die Leitzinsen höher als die erwartete Inflationsrate sein sollten. Die Diskrepanz bei einem Leitzins von 2,5 Prozent und einer zweistelligen Inflationsrate ist allerdings zu ausgeprägt für diese Zwecke.

China: Wild Card mit politischen Risiken

China könnte unseres Erachtens im kommenden Jahr für eine Überraschung gut sein. Eine wirtschaftsfeindliche Politik (Zero Covid-Maßnahmen, Regulierung diverser Branchen, Common Prosperity), große Probleme im Immobiliensektor sowie ein offen ausgetragener Wirtschaftskrieg mit den Vereinigten Staaten sorgten für zwei wirtschaftlich sehr schlechte Jahre.
Beim diesjährigen Volkskongress wird Xi Jinping für 5 weitere Jahre gewählt und mit der Besetzung wichtiger Positionen im Politbüro wird die Politik der Planwirtschaft strategisch neu ausgerichtet. Hier warten Investoren auf einen überzeugenden wirtschaftlichen Wachstumsplan und eine Abkehr von der Zero Covid-Politik.

Wir beobachten seit Monaten eine Aufweichung der Zero Covid-Politik. Hong Kong als Enklave der Volksrepublik hat Quarantänebestimmungen für Reisende aufgehoben und erstmals BionTechs Coronaimpfstoff für Kinder zugelassen. Zudem hat Präsident Xi im September zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Pandemie wieder eine Auslandsreise unternommen. Des Weiteren werden Immobilienüberkapazitäten für den Bau von gigantischen Krankenhäusern genutzt, in denen Corona-Kranke bestens behandelt werden könnten. Allerdings erwarten wir keinen medienwirksamen großen Knall bei der Aufhebung der restriktiven Gesundheitspolitik, sondern ein sukzessives Öffnen, bei dem es weiterhin immer wieder zu Lockdowns kommen kann.
Auf die Signale aus dem Volkskongress hinsichtlich der Wirtschaftspolitik schauen wir mit Interesse und bei einer wirtschaftsfreundlicheren Politik sehen wir durchaus Chancen eines Comebacks. Denn China hat geringe Inflationsraten und die Zentralbank kann folglich stimulierende Impulse setzen. Zudem erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer Wirtschaftsprognose für China eine Wirtschaftsbelebung fürs kommende Jahr. Das Wirtschaftswachstum wird sich laut Schätzung auf 4,7 Prozent belaufen.

Geopolitik

Der Krieg in der Ukraine bleibt ein nicht kalkulierbares Risiko. Eine erfolgreiche Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte mit deutlichen Geländegewinnen lassen in Kiew die Bereitschaft zu neuerlichen Verhandlungen mit Russland gegen Null tendieren. Derweil rief Russland eine Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten aus, führte über Scheinreferenden eine Annexion ukrainischer Regionen durch und droht unverhohlen mit einem Einsatz von Nuklearwaffen im weiteren Kriegsverlauf.

Auch Entwicklungen im Iran, in Nordkorea und dem weiter offen ausgetragenen Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China beobachten wir sehr genau.

Ableitungen für die Anlagestrategie

Das skizzierte makroökonomische Umfeld bleibt herausfordernd und lässt die Kapitalmärkte mittelfristig volatil bleiben. Das geldpolitische Experiment der Null- oder gar Negativzinsen wurde jäh beendet und die Leitzinsen auf ein Vielfaches angehoben. Die Auswirkungen dieser global konzertierten, restriktiven Geldpolitik wird man erst in absehbarer Zeit beurteilen können. Die massive Liquiditätsreduktion ist nicht risikolos und kann ungewollte Probleme in der Realwirtschaft auslösen. So musste die Bank of England zuletzt am Markt intervenieren, da britische Pensionsfonds aufgrund von Zinswetten in Schwierigkeiten geraten waren.

Wir sind der festen Überzeugung, dass aktives Vermögensmanagement in diesen Zeiten unabdingbar ist für die Kapitalanlage. In dem sich rasant entwickelnden Umfeld muss schnell und analytisch reagiert werden, um Risiken zu begrenzen, aber auch um Opportunitäten zu nutzen. Aktuell haben wir unsere Portfolien defensiv ausgerichtet und legen den Fokus eindeutig auf Risikomanagement und Werterhalt. Der Grundsatz lautet „Hope for the best, prepare for the worst“.

Wir sehen aber auch Opportunitäten am Markt. Sollte sich die Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten stabilisieren und die Teuerungsraten rückläufig sein, besteht die Möglichkeit, dass die Zinsen ihren vorläufigen Höhepunkt sehen. Dies würde den Rentenmarkt stabilisieren und in der Folge auch die Kredit- und Aktienmärkte begünstigen. Im Detail sehen wir die einzelnen Anlageklassen wie folgt:

Anleihen

Anleihen sind seit langer Zeit wieder interessant. Die Zinsen geben ihr Comeback und durch die zwischenzeitlich höchsten Kursverluste seit über 40 Jahren gibt es nun wieder attraktive Einstandsrenditen.

Betrachtet man europäische Unternehmensanleihen mit bester Bonität, sieht man eine bemerkenswerte Renditeentwicklung. Vor etwas mehr als einem Jahr, am 31.7.2021, notierten diese Anleihen bei mageren 0,2 Prozent p.a., während aktuell eine Einstandsrendite in der Größenordnung von 4,25 Prozent p.a. erworben werden kann. Die Rendite hat sich also mehr als verzwanzigfacht.

Die Einstandsrendite ist die Rendite, welche man jährlich vereinnahmt, wenn in dem breit diversifizierten Korb an Anleihen bester Bonität keine Kreditausfälle auftreten. Da wir von einer Rezession in der Eurozone ausgehen, müssen wir allerdings auch Kreditausfälle ins Kalkül ziehen. Diese lagen in der Vergangenheit im Investment Grade-Bereich in Europa aber im Schnitt unter 1 Prozent der Anleihen. Wir würden sogar mit noch geringeren Ausfällen rechnen, da viele Unternehmen insbesondere nach der Corona-Pandemie über sehr gesunde Bilanzen verfügen.
Auch im Vergleich zur Aktienanlage ist die Rendite mittlerweile attraktiv. Für den Eurostoxx 50 beläuft sich die Dividendenrendite auf etwa 3,5 Prozent.

Staatsanleihen finden wir nach wie vor lediglich taktisch als Rezessionsabsicherung interessant. Das absolute Renditeniveau erscheint uns für ein strategisches Investment noch zu unattraktiv.
Die attraktive Einstandsrendite bei Hochzinsanleihen erkauft man sich mit einem erhöhten Ausfallrisiko. Dieses wird in einer Rezession noch einmal ansteigen. Daher glauben wir, dass es noch zu früh für ein Investment ist und es noch günstigere Einstiegskurse geben wird.

Aktien

Die Aktienwerte werden auch mittelfristig weiterhin sehr volatil bleiben. Für eine Jahresendrallye spricht das äußerst pessimistische Sentiment der Investoren. Schon wenige positive Nachrichten könnten einen vorübergehenden Kursanstieg auslösen. Die letzte Bärenmarktrallye im Juni führte zu Kursgewinnen gemessen am MSCI World von in der Spitze 18 Prozent. Eine solide Berichtssaison oder fallende Inflationsraten könnten der Auslöser einer solchen Gegenbewegung sein.

Mittelfristig erwarten wir allerdings, dass die aufziehende Rezession ein fundamental herausforderndes Umfeld für Aktienanlagen darstellen wird. Dieses sehen wir noch nicht ausreichend in den Kursen reflektiert. Wir denken daher, dass die Analysten ihre Gewinnschätzungen für 2023 in der anstehenden Berichtssaison nach unten anpassen werden.

Wir bleiben dementsprechend defensiv positioniert. Bei der Selektion fokussieren wir uns ausschließlich auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Wir bevorzugen weiterhin Substanztitel, sehen aber bei einem Abflachen der Inflationszahlen Potenzial für eine Aufstockung von Wachstumswerten.

Regional sehen wir die größten Chancen in den USA. Bei Investments in Europa und Asien halten wir uns aktuell noch zurück. Langfristig orientierte Investoren können die starken Kursverluste der letzten Monate nutzen, um tranchiert in den Markt einzusteigen. Faire bis günstige Bewertungsniveaus versprechen Anlegern mit einem längeren Investmenthorizont attraktive Erwartungsrenditen, deutlich attraktiver als noch vor einem Jahr.

Gold und Alternative Investments

Gold hat sich im vergangenen Quartal wie von uns erwartet negativ entwickelt. Für einen Euro-Investor fiel der Verlust wegen des starken US-Dollars vergleichsweise moderat aus. Rechnet man den Währungseffekt hinaus, verlor Gold allerdings fast 8 Prozent an Wert. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass Gold mit steigenden Zinsen, einem starken US-Dollar und der Aussicht auf mittelfristig rückläufige Inflationsdaten als Portfoliopositionierung fundamental nur bedingt attraktiv ist. Wir bleiben untergewichtet, behalten aber eine Position als Absicherung gegen geopolitische Risiken im Portfolio.

Alternative Investments nutzen wir weiterhin zur breiten Diversifikation und sehen darin in volatilen Zeiten einen wertvollen unkorrelierten Portfoliobestandteil.

Fazit

Der Krieg in der Ukraine und eine ausufernde Inflation werden in einer Rezession für Europa und die USA münden. Wir glauben, dass die Inflation im weiteren Verlauf zurückgehen, allerdings oberhalb der Zentralbankziele verharren wird. Die Zentralbanken können daher im kommenden Jahr eine Pause im Zinserhöhungszyklus einlegen, um zu sehen wie sich die bisherigen Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum und die Inflationsentwicklung ausgewirkt haben, um anschließend ihre Geldpolitik entsprechend zu adjustieren. Aktienbewertungen erscheinen langfristig fair bis günstig, allerdings sehen wir angesichts der Rezessionserwartung weitere Gewinnrevisionen für 2023. Die Märkte werden folglich volatil bleiben. Dementsprechend haben wir unser Portfolio defensiv positioniert, um robust gegen etwaige Kursrückgänge aufgestellt zu sein.

Unternehmensanleihen bester Bonität bieten nach ihren historischen Kursverlusten seit langer Zeit wieder eine echte Investmentalternative. Staatsanleihen sind von ihrer Rendite für ein strategisches Investment nach wie vor wenig attraktiv, können im Falle einer Rezession aber wertvoll fürs Portfolio werden. Gold hat fundamental betrachtet an Attraktivität verloren, besitzt aber aufgrund seiner Absicherungseffekte gegen geopolitische Risiken nach wie vor einen Platz im Portfolio. Alternative Investments mischen wir zur breiten Diversifikation unvermindert bei.

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