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Rezessionsgefahr gebannt?

Der Rückgang der Inflationsraten war bislang das marktbestimmende Thema dieses Jahres. Spürbar rückläufige Inflationsraten lassen die Marktteilnehmer auf ein Ende des Zinserhöhungszyklus der westlichen Notenbanken hoffen. Und dies in einer Zeit, in der sich das Wirtschaftswachstum – insbesondere in den USA – nach wie vor robust zeigt. Vor diesem Hintergrund erachten einige Analysten mittlerweile ein sog. „Soft-Landing“-Szenario für realistisch. Dies beschreibt eine Rückführung der Inflationsraten in den Zielkorridor der Notenbanken, ohne zeitgleich eine Rezession auszulösen. Dieses Szenario ist für die Kapitalmärkte äußerst positiv, da sich sowohl für Aktien- als auch für Anleihemärkte Kurspotential bietet. Zusätzlich begeisterten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) die Märkte und sorgten für ein Kursfeuerwerk bei Aktien dieses Themenfeldes (etwa des Chipentwicklers Nvidia). Diverse Problemstellungen werden von KI-basierten Softwareprogrammen wie ChatGPT schnell und in den meisten Fällen qualitativ hochwertig gelöst. Die Anwendungsmöglichkeiten sind mannigfaltig und können sich über diverse Berufsfelder wie Bildung, Gesundheit, Marketing oder auch Programmierung erstrecken. Makroökonomisch betrachtet führt technologischer Fortschritt langfristig zu einem Zuwachs an Produktivität und wirkt deflationär. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet damit, dass 60-70 Prozent der täglichen Büroarbeiten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz automatisiert werden können. Dies könnte jährlich bis zu 4,4 Billionen US-Dollar an Wirtschaftsleistung generieren. Zur Einordnung erwirtschaftete Großbritannien im Jahr 2021 ein Bruttoinlandsprodukt in der Größenordnung von 3,1 Billionen US-Dollar. Im aktuellen Wirtschaftszyklus werden diese positiven Auswirkungen des technologischen Wandels allerdings noch nicht zu Buche schlagen können, da die Adaption von künstlicher Intelligenz gerade erst an Fahrt aufnimmt.

Soft-Landing-Szenario wünschenswert, aber Rezession schwer vermeidbar

Wir rechnen nach wie vor mit einer Rezession in den USA und Europa, da durch die rasant angehobenen Leitzinsen dies- und jenseits des Atlantiks Finanzkonditionen massiv verschärft wurden. Dies wirkt sich mit Zeitverzug negativ auf den Wirtschaftskreislauf aus. Das Ausmaß der Verzögerung ist allerdings schwer vorhersehbar, da der westliche Wirtschaftsraum nach der Corona-Pandemie – gestützt durch staatliche Hilfsprogramme sowie Nullzinsen – eine Sonderkonjunktur erlebte. Aktuell sind die Wachstumsdaten in den USA robust, allerdings zeigen sich bei genauer Analyse erste Anzeichen von Schwäche. Technisch vereinfacht betrachtet setzt sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zusammen aus (a) Unternehmensinvestitionen, (b) privaten Konsumausgaben, (3) Staatskonsum sowie dem Außenbeitrag (Exporte – Importe). Unternehmensinvestitionen sind in den Vereinigten Staaten seit geraumer Zeit rückläufig. Die höheren Leitzinsen führen z.B. dazu, dass Kredite für mittelständische Unternehmen mittlerweile mit Darlehenszinsen von 8-10 Prozent pro Jahr vergeben werden. Dies macht viele Investitionsprojekte nach Kosten unrentabel. Dementsprechend trüben sich auch Frühindikatoren wie der ISM-Einkaufsmanagerindex mittlerweile deutlich ein. Dies trifft sowohl für das verarbeitende Gewerbe wie auch für den Dienstleistungssektor zu. Der private Konsum macht als Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft ca. zwei Drittel der dortigen Wirtschaftsleistung aus. Eine historisch geringe Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent gepaart mit hohen Ersparnissen und gestiegenen Aktienkursen sorgten für ein freundliches Sentiment, welches sich positiv auf das Kaufverhalten auswirkte. Allerdings wurde der Konsum in der jüngeren Vergangenheit immer stärker kreditfinanziert. Die aus den umfangreichen Transferleistungen im Rahmen der Corona-Pandemie resultierenden hohen Sparquoten wurden mittlerweile aufgebraucht und die Kreditaufnahme privater Haushalte befindet sich auf einem Niveau, welches in der Vergangenheit kurz vor Rezessionen gemessen wurde. . Die Verbraucherstimmung trübt sich derweil spürbar ein. Teure Preise aufgrund der immer noch hohen Inflation sowie hohe Zinsen sorgen für einen pessimistischen Ausblick der privaten Haushalte und reduzieren das Potential eines anhaltend kräftigen Kaufverhaltens. Ob die Fiskalpolitik den abflachenden Konsum und die ausbleibenden Unternehmensinvestitionen ausgleichen kann, halten wir für fraglich. Angesichts hoher Verschuldungsgrade wird der Haushaltsspielraum in Zeiten steigender Zinsen geringer. Zudem sind die Inflationsraten nach wie vor zu hoch und sollten es schwierig machen der Wählerschaft große Ausgabenpakete zu vermitteln. Dementsprechend halten wir eine Rezession in den USA in den kommenden 6-12 Monaten für wahrscheinlich. Allerdings sehen wir aktuell keine Anzeichen für einen sehr tiefen Wirtschaftsabschwung, da durch die beschriebene Sonderkonjunktur eine gesunde Ausgangslage vorherrscht. In Europa ist die wirtschaftliche Dynamik schwächer als in den USA und das Wachstum stagniert bestenfalls. Deutschland befindet sich sogar bereits in einer technischen Rezession und musste in den vorangegangenen Quartalen negative Wachstumsraten ausweisen. Zudem sind in diesem Jahr die Konjunkturindikatoren sukzessive schlechter als erwartet ausgefallen (siehe Citi Economic Surprise Index) und deuten klar auf ein schwaches Momentum der Wirtschaft hin. Daher wird unseres Erachtens auch in Europa kein Weg an einer Rezession vorbeiführen. Die Volksrepublik China generierte nach dem Ende der Corona-Maßnahmen und der Wiedereröffnung der heimischen Wirtschaft bislang ein unter den Erwartungen liegendes, durchwachsenes Wachstum. Zudem lenken politische Auseinandersetzungen, vorrangig mit den USA, von den fundamentalen Aussichten ab. Und diese sind unserer Meinung nach rein wirtschaftlich betrachtet attraktiv. Das avisierte BIP-Wachstum von 5 Prozent für das laufende Jahr könnte sich sogar als zu konservativ herausstellen, wenn die Volksrepublik auf eine wirtschaftsstützende Politik umschwenkt. Der IWF (Internationale Währungsfonds) rechnet damit, dass China in diesem Jahr fast 35 Prozent des Weltwirtschaftswachstums beitragen wird. Diese Zugkraft sollte auch auf die übrigen Entwicklungsländer ausstrahlen.

Inflation bleibt zu hoch

Die Inflationsraten in der Eurozone und den USA haben mittlerweile ihren Gipfel deutlich überschritten und werden über den Sommer mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter sinken. Zuletzt wurde in den USA eine Inflationsrate gemessen an den Konsumentenpreisen (CPI) von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen. Dies ist weit entfernt von den Höchstwerten von 8,6 Prozent aus dem Vorjahr. Rechnet man allerdings die volatilen Komponenten der Energie- und der Nahrungsmittelpreise aus der Inflationsrate heraus, ergibt sich eine Kerninflationsrate von zuletzt immer noch 4,8 Prozent. Die Federal Reserve bezieht sich bei ihrer Inflationsbewertung bevorzugt auf ein alternatives Maß, den sog. PCE-Deflator. Dieser tendiert in diesem Jahr seitwärts und notiert knapp unterhalb von 5 Prozent. Damit beschreibt dieser nicht den starken Abwärtstrend des CPI. Diese weniger schwankungsanfälligen Inflationswerte sind deutlich zu hoch für die amerikanische Notenbank, welche eine Teuerungsrate von maximal 2 Prozent anstrebt. In den vergangenen sechzig Jahren konnte eine derartige Differenz der Teuerungsrate zum Notenbankziel lediglich in oder kurz nach einer Rezession geschlossen werden. In der Eurozone lag die Inflationsrate sogar noch höher bei 5,5 Prozent, während die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmitteln) mit 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die anfänglichen Rückgänge in der Inflationsrate schnell vonstattengehen. Unterhalb einer Inflationsrate von 4 Prozent wird die Entwicklung deutlich träger aufgrund von Zweitrundeneffekten wie etwa Lohnabschlüssen. Zudem passen Unternehmen ihre Preise bei Kostenentspannung deutlich langsamer nach unten an als im umgekehrten Fall.

Zinsgipfel im Blick

Für die Zentralbanken liegt der Fokus weiterhin eindeutig auf der Inflationsbekämpfung. In den USA hat die amerikanische Notenbank FED den Leitzins auf der letzten Notenbanksitzung zum ersten Mal seit März 2022 nicht weiter erhöht und in der Spanne von 5 bis 5,25 Prozent konstant gehalten. Gleichzeitig wurde aber betont, dass in Abhängigkeit der kommenden Wirtschaftsdaten weitere Zinserhöhungen vorgenommen werden könnten. Wir denken, dass das Zinsniveau in den USA mittlerweile restriktiv genug ist zur Bekämpfung der Inflation und eine Zinserhöhungspause gerechtfertigt wäre. Die Auswirkungen des steilen Zinsanstiegs werden sich erst über eine längere Transmissionsphase im Wirtschaftskreislauf zeigen. Allerdings scheinen die Notenbanker im Zweifel eher gewillt zu viel als zu wenig zu tun, so dass ein bis zwei weitere Zinserhöhungen wahrscheinlich erscheinen. Der Markt preist für 2024 mittlerweile fünf Leitzinssenkungen ein. Dies halten wir für zu ambitioniert und nur für realistisch, falls die amerikanische Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen sollte. Da wir dafür aktuell keine Anhaltspunkte sehen, rechnen wir mit einer längeren Phase hoher Leitzinsen. Die EZB hat die Leitzinsen mittlerweile auf 4,0 Prozent für den Hauptrefinanzierungssatz erhöht und mindestens einen weiteren Zinsschritt in Aussicht gestellt. Und auch in der Eurozone denken wir, dass wir uns einem ausreichend restriktiven Zinsniveau nähern. Mehr als ein bis zwei Zinserhöhungen erwarten wir daher nicht, insbesondere wenn die Wirtschaft wie von uns prognostiziert weiter an Schwung verliert.

Auswirkungen auf die Investmentstrategie

Unser Basisszenario hat sich seit Jahresbeginn nicht wesentlich verändert. Wir gehen nach wie vor von einem stagflationären Wirtschaftsumfeld aus, genauer von einer milden Rezession in den entwickelten Märkten mit weiterhin zu hoher Inflation. Unsere Investmentstrategie muss dementsprechend nicht fundamental angepasst werden und wir verbleiben in einer vorsichtigen Allokation.

Aktien

Aktienanlagen haben sich in diesem Jahr sehr gut entwickelt. Unternehmensergebnisse fielen besser aus als befürchtet, aber verglichen mit den Vorjahresergebnissen in der Breite doch etwas schwächer. Dies sorgte dafür, dass bei steigenden Kursen die Aktienbewertungen weiter angestiegen sind. In den USA sind sie mittlerweile mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 21x vergleichsweise teuer. Auffällig ist allerdings, dass durch die beschriebene Euphorie um die künstliche Intelligenz Aktien aus diesem Segment besonders starke Kursentwicklungen verzeichnet haben. Dies hat insbesondere Technologiewerte (Nvidia, Microsoft, Apple, Amazon, Netflix, Alphabet, Meta, Tesla et. al.) beflügelt. Rechnet man die Kursentwicklung dieser Titel aus der Gesamtjahresperformance des amerikanischen Aktienindex S&P 500 heraus, erkennt man, dass die übrigen ca. 480 Titel faktisch keine Kursgewinne vorweisen können. Dass so wenige Unternehmen einen Markt so dominieren, ist historisch äußerst selten und wird makroökonomisch als Warnsignal für eine ungesunde Kursentwicklung aufgefasst, besonders vor dem Hintergrund eines teuren Bewertungsniveaus. Wir sind daher gegenüber dem amerikanischen Markt vorsichtig eingestellt, während wir in Europa und insbesondere in Asien bessere Opportunitäten sehen. Aufgrund unseres makroökonomischen Ausblicks erwarten wir in der zweiten Jahreshälfte volatile Märkte. Dies sollte unserem aktiven und selektiven Investmentstil entgegenkommen. Wir bleiben strukturell weiterhin defensiv mit einem starken Fokus auf Qualitätsunternehmen ausgerichtet. Diese sollten in unsicheren Zeiten mit geringen Verschuldungsgraden und ausgeprägten Wettbewerbsvorteilen stabile Gewinnmargen erwirtschaften. Dabei präferieren wir Titel mit strukturellen Wachstumstreibern gegenüber zyklischen.

Anleihen

Die Aussicht auf auslaufende Leitzinserhöhungen sowie latente Wachstumsrisiken haben im ersten Halbjahr für eine positive Kursentwicklung bei Anleihen gesorgt. Da wir erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, sollten Anleihen nach wie vor ein attraktives Investment darstellen. Zusätzlichen Wert liefern Anleihen mittlerweile wieder durch ihre Diversifikationseigenschaften vor allem gegenüber Aktien. Waren die Kursbewegungen in den vergangenen Jahren häufig gleichgerichtet, weisen Anleihen in diesem Jahr besonders in Stressphasen wie der Bankenkrise im März negative Korrelationen aus. Dadurch federn sie Aktienkursverluste ab und können Schwankungen im Portfoliokontext reduzieren. Wir fokussieren uns weiterhin schwerpunktmäßig auf Anleihen höchster Bonität (Investment Grade) und mischen schwächere Bonitäten lediglich opportunistisch bei.

Rohstoffe/Alternative Investments

Wir sehen Gold weiterhin als interessantes Investment. Neben dem Status als sicherer Hafen in Krisen sollte Gold auch von dem Ende der Zinserhöhungen und einem schwächeren US-Dollar profitieren. Alternative Investments nutzen wir weiterhin zur breiten Diversifikation und sehen darin in volatilen Zeiten einen wertvollen unkorrelierten Portfoliobestandteil.

Fazit

Die Inflationsraten in den USA und in Europa sind weiter rückläufig und haben sich weit von ihren Höchstraten entfernt. Alternative Inflationsmaße zeigen allerdings, dass die Zielwerte der Notenbanken noch nicht erreicht sind und in der Folge weitere Leitzinserhöhungen wahrscheinlich sind. Das globale Wirtschaftswachstum dürfte aufgrund der verschärften Finanzierungskonditionen weiter zurückgehen und in den Industriestaaten wird innerhalb der kommenden zwölf Monate eine Rezession kaum vermeidbar sein. Diese wird aber aufgrund der robusten Sonderkonjunktur nach der Corona-Pandemie mild ausfallen. Die Märkte werden in der zweiten Jahreshälfte volatil sein. Aktienbewertungen haben sich durch die diesjährige Kursrallye bei rückläufigen Erträgen ausgeweitet und sind mittlerweile leicht überteuert, insbesondere in den USA. Dementsprechend haben wir unser Portfolio defensiv positioniert, um stabil gegen etwaige Kursrückgänge aufgestellt zu sein. Bei Anleihen setzen wir weiter vorrangig auf Investments bester Bonität, um etwaige Kreditrisiken zu minimieren. Gold besitzt aufgrund seines Status als sicherer Hafen eine Rolle im Portfolio und könnte aufgrund des absehbaren Endes der Zinserhöhungen sowie eines schwächeren US-Dollars auch fundamental unterstützt sein. Alternative Investments mischen wir zur breiten Diversifikation unvermindert bei.  " ["post_title"]=> string(34) "Marktkommentar zum 3. Quartal 2023" ["post_excerpt"]=> string(0) "" ["post_status"]=> string(7) "publish" ["comment_status"]=> string(6) "closed" ["ping_status"]=> string(6) "closed" ["post_password"]=> string(0) "" ["post_name"]=> string(33) "marktkommentar-zum-3-quartal-2023" ["to_ping"]=> string(0) "" ["pinged"]=> string(0) "" ["post_modified"]=> string(19) "2023-07-19 11:17:14" ["post_modified_gmt"]=> string(19) "2023-07-19 09:17:14" ["post_content_filtered"]=> string(0) "" ["post_parent"]=> int(0) ["guid"]=> string(36) "https://portfolio-concept.de/?p=9743" ["menu_order"]=> int(0) ["post_type"]=> string(4) "post" ["post_mime_type"]=> string(0) "" ["comment_count"]=> string(1) "0" ["filter"]=> string(3) "raw" }

Marktkommentar zum 3. Quartal 2023

Rezessionsgefahr gebannt?

Der Rückgang der Inflationsraten war bislang das marktbestimmende Thema dieses Jahres. Spürbar rückläufige Inflationsraten lassen die Marktteilnehmer auf ein Ende des Zinserhöhungszyklus der westlichen Notenbanken hoffen. Und dies in einer Zeit, in der sich das Wirtschaftswachstum – insbesondere in den USA – nach wie vor robust zeigt.

Vor diesem Hintergrund erachten einige Analysten mittlerweile ein sog. „Soft-Landing“-Szenario für realistisch. Dies beschreibt eine Rückführung der Inflationsraten in den Zielkorridor der Notenbanken, ohne zeitgleich eine Rezession auszulösen. Dieses Szenario ist für die Kapitalmärkte äußerst positiv, da sich sowohl für Aktien- als auch für Anleihemärkte Kurspotential bietet.

Zusätzlich begeisterten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) die Märkte und sorgten für ein Kursfeuerwerk bei Aktien dieses Themenfeldes (etwa des Chipentwicklers Nvidia).

Diverse Problemstellungen werden von KI-basierten Softwareprogrammen wie ChatGPT schnell und in den meisten Fällen qualitativ hochwertig gelöst. Die Anwendungsmöglichkeiten sind mannigfaltig und können sich über diverse Berufsfelder wie Bildung, Gesundheit, Marketing oder auch Programmierung erstrecken.

Makroökonomisch betrachtet führt technologischer Fortschritt langfristig zu einem Zuwachs an Produktivität und wirkt deflationär. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet damit, dass
60-70 Prozent der täglichen Büroarbeiten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz automatisiert werden können. Dies könnte jährlich bis zu 4,4 Billionen US-Dollar an Wirtschaftsleistung generieren. Zur Einordnung erwirtschaftete Großbritannien im Jahr 2021 ein Bruttoinlandsprodukt in der Größenordnung von 3,1 Billionen US-Dollar.
Im aktuellen Wirtschaftszyklus werden diese positiven Auswirkungen des technologischen Wandels allerdings noch nicht zu Buche schlagen können, da die Adaption von künstlicher Intelligenz gerade erst an Fahrt aufnimmt.

Soft-Landing-Szenario wünschenswert, aber Rezession schwer vermeidbar

Wir rechnen nach wie vor mit einer Rezession in den USA und Europa, da durch die rasant angehobenen Leitzinsen dies- und jenseits des Atlantiks Finanzkonditionen massiv verschärft wurden. Dies wirkt sich mit Zeitverzug negativ auf den Wirtschaftskreislauf aus. Das Ausmaß der Verzögerung ist allerdings schwer vorhersehbar, da der westliche Wirtschaftsraum nach der Corona-Pandemie – gestützt durch staatliche Hilfsprogramme sowie Nullzinsen – eine Sonderkonjunktur erlebte. Aktuell sind die Wachstumsdaten in den USA robust, allerdings zeigen sich bei genauer Analyse erste Anzeichen von Schwäche. Technisch vereinfacht betrachtet setzt sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zusammen aus (a) Unternehmensinvestitionen, (b) privaten Konsumausgaben, (3) Staatskonsum sowie dem Außenbeitrag (Exporte – Importe).

Unternehmensinvestitionen sind in den Vereinigten Staaten seit geraumer Zeit rückläufig. Die höheren Leitzinsen führen z.B. dazu, dass Kredite für mittelständische Unternehmen mittlerweile mit Darlehenszinsen von 8-10 Prozent pro Jahr vergeben werden. Dies macht viele Investitionsprojekte nach Kosten unrentabel. Dementsprechend trüben sich auch Frühindikatoren wie der ISM-Einkaufsmanagerindex mittlerweile deutlich ein. Dies trifft sowohl für das verarbeitende Gewerbe wie auch für den Dienstleistungssektor zu. Der private Konsum macht als Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft ca. zwei Drittel der dortigen Wirtschaftsleistung aus. Eine historisch geringe Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent gepaart mit hohen Ersparnissen und gestiegenen Aktienkursen sorgten für ein freundliches Sentiment, welches sich positiv auf das Kaufverhalten auswirkte. Allerdings wurde der Konsum in der jüngeren Vergangenheit immer stärker kreditfinanziert. Die aus den umfangreichen Transferleistungen im Rahmen der Corona-Pandemie resultierenden hohen Sparquoten wurden mittlerweile aufgebraucht und die Kreditaufnahme privater Haushalte befindet sich auf einem Niveau, welches in der Vergangenheit kurz vor Rezessionen gemessen wurde.

.

Die Verbraucherstimmung trübt sich derweil spürbar ein. Teure Preise aufgrund der immer noch hohen Inflation sowie hohe Zinsen sorgen für einen pessimistischen Ausblick der privaten Haushalte und reduzieren das Potential eines anhaltend kräftigen Kaufverhaltens.

Ob die Fiskalpolitik den abflachenden Konsum und die ausbleibenden Unternehmensinvestitionen ausgleichen kann, halten wir für fraglich. Angesichts hoher Verschuldungsgrade wird der Haushaltsspielraum in Zeiten steigender Zinsen geringer. Zudem sind die Inflationsraten nach wie vor zu hoch und sollten es schwierig machen der Wählerschaft große Ausgabenpakete zu vermitteln. Dementsprechend halten wir eine Rezession in den USA in den kommenden 6-12 Monaten für wahrscheinlich. Allerdings sehen wir aktuell keine Anzeichen für einen sehr tiefen Wirtschaftsabschwung, da durch die beschriebene Sonderkonjunktur eine gesunde Ausgangslage vorherrscht. In Europa ist die wirtschaftliche Dynamik schwächer als in den USA und das Wachstum stagniert bestenfalls. Deutschland befindet sich sogar bereits in einer technischen Rezession und musste in den vorangegangenen Quartalen negative Wachstumsraten ausweisen. Zudem sind in diesem Jahr die Konjunkturindikatoren sukzessive schlechter als erwartet ausgefallen (siehe Citi Economic Surprise Index) und deuten klar auf ein schwaches Momentum der Wirtschaft hin. Daher wird unseres Erachtens auch in Europa kein Weg an einer Rezession vorbeiführen. Die Volksrepublik China generierte nach dem Ende der Corona-Maßnahmen und der Wiedereröffnung der heimischen Wirtschaft bislang ein unter den Erwartungen liegendes, durchwachsenes Wachstum. Zudem lenken politische Auseinandersetzungen, vorrangig mit den USA, von den fundamentalen Aussichten ab. Und diese sind unserer Meinung nach rein wirtschaftlich betrachtet attraktiv. Das avisierte BIP-Wachstum von 5 Prozent für das laufende Jahr könnte sich sogar als zu konservativ herausstellen, wenn die Volksrepublik auf eine wirtschaftsstützende Politik umschwenkt. Der IWF (Internationale Währungsfonds) rechnet damit, dass China in diesem Jahr fast 35 Prozent des Weltwirtschaftswachstums beitragen wird. Diese Zugkraft sollte auch auf die übrigen Entwicklungsländer ausstrahlen.

Inflation bleibt zu hoch

Die Inflationsraten in der Eurozone und den USA haben mittlerweile ihren Gipfel deutlich überschritten und werden über den Sommer mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter sinken. Zuletzt wurde in den USA eine Inflationsrate gemessen an den Konsumentenpreisen (CPI) von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen. Dies ist weit entfernt von den Höchstwerten von 8,6 Prozent aus dem Vorjahr. Rechnet man allerdings die volatilen Komponenten der Energie- und der Nahrungsmittelpreise aus der Inflationsrate heraus, ergibt sich eine Kerninflationsrate von zuletzt immer noch 4,8 Prozent. Die Federal Reserve bezieht sich bei ihrer Inflationsbewertung bevorzugt auf ein alternatives Maß, den sog. PCE-Deflator. Dieser tendiert in diesem Jahr seitwärts und notiert knapp unterhalb von 5 Prozent. Damit beschreibt dieser nicht den starken Abwärtstrend des CPI. Diese weniger schwankungsanfälligen Inflationswerte sind deutlich zu hoch für die amerikanische Notenbank, welche eine Teuerungsrate von maximal 2 Prozent anstrebt. In den vergangenen sechzig Jahren konnte eine derartige Differenz der Teuerungsrate zum Notenbankziel lediglich in oder kurz nach einer Rezession geschlossen werden. In der Eurozone lag die Inflationsrate sogar noch höher bei 5,5 Prozent, während die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmitteln) mit 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die anfänglichen Rückgänge in der Inflationsrate schnell vonstattengehen. Unterhalb einer Inflationsrate von 4 Prozent wird die Entwicklung deutlich träger aufgrund von Zweitrundeneffekten wie etwa Lohnabschlüssen. Zudem passen Unternehmen ihre Preise bei Kostenentspannung deutlich langsamer nach unten an als im umgekehrten Fall.

Zinsgipfel im Blick

Für die Zentralbanken liegt der Fokus weiterhin eindeutig auf der Inflationsbekämpfung. In den USA hat die amerikanische Notenbank FED den Leitzins auf der letzten Notenbanksitzung zum ersten Mal seit März 2022 nicht weiter erhöht und in der Spanne von 5 bis 5,25 Prozent konstant gehalten. Gleichzeitig wurde aber betont, dass in Abhängigkeit der kommenden Wirtschaftsdaten weitere Zinserhöhungen vorgenommen werden könnten. Wir denken, dass das Zinsniveau in den USA mittlerweile restriktiv genug ist zur Bekämpfung der Inflation und eine Zinserhöhungspause gerechtfertigt wäre. Die Auswirkungen des steilen Zinsanstiegs werden sich erst über eine längere Transmissionsphase im Wirtschaftskreislauf zeigen. Allerdings scheinen die Notenbanker im Zweifel eher gewillt zu viel als zu wenig zu tun, so dass ein bis zwei weitere Zinserhöhungen wahrscheinlich erscheinen. Der Markt preist für 2024 mittlerweile fünf Leitzinssenkungen ein. Dies halten wir für zu ambitioniert und nur für realistisch, falls die amerikanische Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen sollte. Da wir dafür aktuell keine Anhaltspunkte sehen, rechnen wir mit einer längeren Phase hoher Leitzinsen. Die EZB hat die Leitzinsen mittlerweile auf 4,0 Prozent für den Hauptrefinanzierungssatz erhöht und mindestens einen weiteren Zinsschritt in Aussicht gestellt. Und auch in der Eurozone denken wir, dass wir uns einem ausreichend restriktiven Zinsniveau nähern. Mehr als ein bis zwei Zinserhöhungen erwarten wir daher nicht, insbesondere wenn die Wirtschaft wie von uns prognostiziert weiter an Schwung verliert.

Auswirkungen auf die Investmentstrategie

Unser Basisszenario hat sich seit Jahresbeginn nicht wesentlich verändert. Wir gehen nach wie vor von einem stagflationären Wirtschaftsumfeld aus, genauer von einer milden Rezession in den entwickelten Märkten mit weiterhin zu hoher Inflation. Unsere Investmentstrategie muss dementsprechend nicht fundamental angepasst werden und wir verbleiben in einer vorsichtigen Allokation.

Aktien

Aktienanlagen haben sich in diesem Jahr sehr gut entwickelt. Unternehmensergebnisse fielen besser aus als befürchtet, aber verglichen mit den Vorjahresergebnissen in der Breite doch etwas schwächer. Dies sorgte dafür, dass bei steigenden Kursen die Aktienbewertungen weiter angestiegen sind. In den USA sind sie mittlerweile mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 21x vergleichsweise teuer. Auffällig ist allerdings, dass durch die beschriebene Euphorie um die künstliche Intelligenz Aktien aus diesem Segment besonders starke Kursentwicklungen verzeichnet haben. Dies hat insbesondere Technologiewerte (Nvidia, Microsoft, Apple, Amazon, Netflix, Alphabet, Meta, Tesla et. al.) beflügelt. Rechnet man die Kursentwicklung dieser Titel aus der Gesamtjahresperformance des amerikanischen Aktienindex S&P 500 heraus, erkennt man, dass die übrigen ca. 480 Titel faktisch keine Kursgewinne vorweisen können. Dass so wenige Unternehmen einen Markt so dominieren, ist historisch äußerst selten und wird makroökonomisch als Warnsignal für eine ungesunde Kursentwicklung aufgefasst, besonders vor dem Hintergrund eines teuren Bewertungsniveaus. Wir sind daher gegenüber dem amerikanischen Markt vorsichtig eingestellt, während wir in Europa und insbesondere in Asien bessere Opportunitäten sehen. Aufgrund unseres makroökonomischen Ausblicks erwarten wir in der zweiten Jahreshälfte volatile Märkte. Dies sollte unserem aktiven und selektiven Investmentstil entgegenkommen. Wir bleiben strukturell weiterhin defensiv mit einem starken Fokus auf Qualitätsunternehmen ausgerichtet. Diese sollten in unsicheren Zeiten mit geringen Verschuldungsgraden und ausgeprägten Wettbewerbsvorteilen stabile Gewinnmargen erwirtschaften. Dabei präferieren wir Titel mit strukturellen Wachstumstreibern gegenüber zyklischen.

Anleihen

Die Aussicht auf auslaufende Leitzinserhöhungen sowie latente Wachstumsrisiken haben im ersten Halbjahr für eine positive Kursentwicklung bei Anleihen gesorgt. Da wir erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, sollten Anleihen nach wie vor ein attraktives Investment darstellen. Zusätzlichen Wert liefern Anleihen mittlerweile wieder durch ihre Diversifikationseigenschaften vor allem gegenüber Aktien. Waren die Kursbewegungen in den vergangenen Jahren häufig gleichgerichtet, weisen Anleihen in diesem Jahr besonders in Stressphasen wie der Bankenkrise im März negative Korrelationen aus. Dadurch federn sie Aktienkursverluste ab und können Schwankungen im Portfoliokontext reduzieren.

Wir fokussieren uns weiterhin schwerpunktmäßig auf Anleihen höchster Bonität (Investment Grade) und mischen schwächere Bonitäten lediglich opportunistisch bei.

Rohstoffe/Alternative Investments

Wir sehen Gold weiterhin als interessantes Investment. Neben dem Status als sicherer Hafen in Krisen sollte Gold auch von dem Ende der Zinserhöhungen und einem schwächeren US-Dollar profitieren. Alternative Investments nutzen wir weiterhin zur breiten Diversifikation und sehen darin in volatilen Zeiten einen wertvollen unkorrelierten Portfoliobestandteil.

Fazit

Die Inflationsraten in den USA und in Europa sind weiter rückläufig und haben sich weit von ihren Höchstraten entfernt. Alternative Inflationsmaße zeigen allerdings, dass die Zielwerte der Notenbanken noch nicht erreicht sind und in der Folge weitere Leitzinserhöhungen wahrscheinlich sind. Das globale Wirtschaftswachstum dürfte aufgrund der verschärften Finanzierungskonditionen weiter zurückgehen und in den Industriestaaten wird innerhalb der kommenden zwölf Monate eine Rezession kaum vermeidbar sein. Diese wird aber aufgrund der robusten Sonderkonjunktur nach der Corona-Pandemie mild ausfallen. Die Märkte werden in der zweiten Jahreshälfte volatil sein. Aktienbewertungen haben sich durch die diesjährige Kursrallye bei rückläufigen Erträgen ausgeweitet und sind mittlerweile leicht überteuert, insbesondere in den USA. Dementsprechend haben wir unser Portfolio defensiv positioniert, um stabil gegen etwaige Kursrückgänge aufgestellt zu sein. Bei Anleihen setzen wir weiter vorrangig auf Investments bester Bonität, um etwaige Kreditrisiken zu minimieren. Gold besitzt aufgrund seines Status als sicherer Hafen eine Rolle im Portfolio und könnte aufgrund des absehbaren Endes der Zinserhöhungen sowie eines schwächeren US-Dollars auch fundamental unterstützt sein. Alternative Investments mischen wir zur breiten Diversifikation unvermindert bei.

 

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