Fast 250.000 Jahre lang beherrschten die Neandertaler Europa. Vor gut 30.000 Jahren war dann auf einmal Schluss und es verliert sich ihre Spur. Übrig geblieben sind Knochenfunde an mindestens 80 Fundstellen in Europa und ein paar Prozent in unserer DNA, die die Neandertaler dem homo-sapiens vererbt haben. Man hat sich halt nicht nur gegenseitig die Köpfe eingeschlagen, sondern ist sich auch auf anderem Gebiet nähergekommen. Warum der Neandertaler ausgestorben ist, ist noch nicht eindeutig geklärt. Klimawandel und eine mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit sich an veränderte Lebensumstände anzupassen, wird von vielen Forschern als Grund herangezogen.
Genauso plötzlich und überraschend verschwand 2012 der Filmhersteller Kodak. Im Jahr 1888 gegründet, 150.000 Mitarbeiter weltweit zu besten Zeiten und dann auf einmal im Jahr 2012 insolvent. Dabei haben die Menschen nicht aufgehört zu fotografieren. Im Gegenteil, es wird so viel geknipst wie nie zuvor. Allein im Jahr 2015 so viel wie in der gesamten Geschichte der Menschheit zuvor. Allerdings ohne die analogen Filme von Kodak. Die digitale Fotografie hat Kodak überflüssig gemacht. Der Neandertaler, Kodak und viele andere Unternehmen wurden Opfer der Disruption.
„Eine disruptive Technologie (engl. disrupt – unterbrechen, zerreißen) ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung vollständig verdrängt“, so definiert Wikipedia den Begriff, der in vielen Branchen für Angstschweiß sorgt. Der Begriff mag neu sein, die Sache an sich ist es natürlich nicht – der Neandertaler lässt grüßen. Disruption entsteht immer dann, wenn bestehende Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden. Eine digital vernetzte globale Welt bringt ganz neue Geschäftsmodelle hervor. Anleger und Investoren müssen diese Entwicklung im Auge behalten. So manches etablierte Geschäftsmodell wird vermutlich in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden. Das größte Taxiunternehmen der Welt besitzt heutzutage kein einziges eigenes Fahrzeug (Uber), der größte Zimmervermittler kein einziges Zimmer (Airbnb). Trotzdem sind diese Unternehmen an der Börse Milliarden Wert und versetzen etablierte Branchen in Panik.
Ein Hauch von „Neuer Markt der Jahrtausendwende“ liegt derzeit in der Luft, wenn ein neues Start-up die nächste digitale Revolution verkündet. Mitunter hat man den Eindruck, dass es schon ausreicht sich einen Tischkicker in das Büro zu stellen und die Investoren stehen Schlange. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Viele Ideen verschwinden zusammen mit dem Investorenkapital wieder vom Markt, noch bevor der erste Euro verdient ist. Nicht alles was digital ist, verspricht zwangläufig Erfolg. Manche neue Dienstleistung scheitert schlicht daran, dass überhaupt kein Bedarf daran besteht. Da hilft dann auch die Digitalisierung wenig.
Die Digitalisierung läutete das zweite Maschinenzeitalter ein. Das erste Maschinenzeitalter begann, als ein englischer Ingenieur auf die Idee kam, seinen Webstuhl mit Wasserdampf anzutreiben. Viele tausend Jahre zuvor verlief die Kurve der menschlichen Entwicklung extrem langsam aufwärts. Die industrielle Revolution führte schließlich zu den größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die die Welt bis dahin erlebt hatte. Das zweite Maschinenzeitalter begann irgendwann in den vergangenen Jahrzehnten. Angetrieben wird das neue Zeitalter jedoch nicht mehr durch Wasserdampf, sondern durch digitale Informationen. Digitale Güter sind anders als physische und werden die Welt und die Wirtschaft der nächsten Jahrzehnte vermutlich nachhaltig verändern.
Disruption ist ein wesentlicher Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Nur wenn Unternehmen bereit sind, ihre alten Geschäftsmodelle zu überdenken und kritisch zu hinterfragen können sie langfristig überleben. Unternehmen denen das erfolgreich gelingt, sind bestens für die Zukunft aufgestellt. Kodak ignorierte als Weltmarktführer das Potential der Digitalfotografie, Nokia sah in Apples iPhone eine unbedeutende technische Spielerei. Die Ergebnisse dieser Fehlentscheidungen für beide Unternehmen sind bekannt. Vor wenigen Jahren drang mit Tesla als Innovationsführer ein neuer Spieler in das angestammte Revier der Automobilkonzerne ein. Die Bedrohung wurde gerade noch rechtzeitig erkannt. Mittlerweile haben sich die Konzerne neu aufgestellt und sind dabei verlorenes Marktpotential wieder zurückzuholen.
Eine Phase der Veränderung ist für risikobewusste Investoren immer günstig. Denn im Ergebnis wird man gestärkt aus der Phase des Wandels herausgehen. Das erste Maschinenzeitalter sorgte, allen gesellschaftlichen Umbrüchen zum Trotz, für einen langen wirtschaftlichen Aufschwung. Natürlich sehen auch die Anbieter von Fondsprodukten in dem Wandel eine Chance. Seit Anfang des Monats hat der TV-Investor Frank Thelen mit „10xDNA – Disruptive Innovation“ seinen eigenen Fonds für Aktien und Kryptowährungen aufgelegt. Wieder ein Promi-Fonds mehr in Deutschland, der mit der Bekanntheit seines Namens als TV-Juror in der „Höhle der Löwen“ Geld der Investoren einsammelt. Die Renditeversprechungen sind ambitioniert, die Kosten des Fonds ebenso. Dabei herrscht an Promi-Fonds in Deutschland generell kein Mangel. In allen Risikoklassen versuchen sich aus Funk- und Fernsehen bekannte Börsenhändler oder Crash-Propheten mit eigenen Fondslösungen. Wirklich erfolgreich ist jedoch bis jetzt keiner der Anbieter. Dabei gehen viele Beobachter davon aus, dass den Aktienmärkten noch goldene Jahre bevorstehen. Disruption ist kein Mythos, sondern die Chance Gewinne zu erzielen. Zumindest wenn man investiert ist.