Am Mittwoch, den 09. April, trat US- Präsident Donald Trump überraschend den Rückzug an. Er verkündete eine 90-tägige „Pause“ für die meisten der hohen „reziproken“ Zölle und ließ sich von seinen Lakaien für den genialen Schachzug feiern. So ganz freiwillig scheint der plötzliche Sinneswandel aber nicht zu sein. Denn es gibt eine Macht an den internationalen Finanzmärkten, denen kann auch die größte Volkswirtschaft der Welt nicht widerstehen – den Anleihemärkten.
Stellen Sie sich vor, Sie geben jemandem einen Kredit, haben aber das ungute Gefühl, derjenige könnte damit Unfug anstellen. Was tun Sie? Genau, Sie verlangen höhere Zinsen als Sicherheit. An den Anleihemärkten bezeichnet man diesen Zinsaufschlag als „Moron Risk Premium“, ins Deutsche übersetzt: „Trottel-Prämie“. Der Begriff wurde vom Analysten Dario Perkins geprägt und beschreibt den Zinsaufschlag, den Investoren verlangen, wenn sie einer Regierung wirtschaftliche Fehlentscheidungen oder unberechenbare Politik zutrauen. Im Grunde ist es die finanzielle Quittung für wahrgenommene politische Inkompetenz. Bereits im Jahr 2022 machte die kurzlebige britische Regierung unter Liz Truss, als sie mit einem radikalen Mini-Budget die Finanzmärkte ins Wanken brachte, unangenehme Erfahrungen mit der Macht der Finanzmärkte. Ihre Karriere endete kurz danach vorzeitig.
Im finanzpolitischen Universum eines Donald Trump nehmen Zölle einen der vorderen Plätze ein. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat er damit erste Erfahrungen gesammelt und hat seinen Wählern versprochen, in der neuen Amtszeit das Thema richtig auf seine Agenda zu setzen. Am 2. April, dem von ihm ausgerufenen „Liberation Day“ (Befreiungstag), drückte er den ganz großen roten Knopf: Ein Basiszoll von 10 Prozent auf fast alle Importe weltweit, plus teils massive „Strafzölle“ (bis zu 50 Prozent) zusätzlich auf Importe aus über 60 Ländern, basierend auf einer ziemlich abenteuerlichen „Reziprozitäts“-Formel. Die US-Zölle erreichten damit den höchsten Stand seit über 100 Jahren.
Die Reaktion der Finanzmärkte war heftig und unmittelbar. Weltweit brachen die Aktienmärkte ein, Billionen an Börsenwerten wurden vernichtet. Der US-Leitindex S&P 500 bewegte sich in Richtung Bärenmarkt (minus 20 Prozent vom Hoch). Das Besondere diesmal war jedoch die Reaktion des Marktes für US-Staatsanleihen (Treasuries). Normalerweise gelten diese als sicherer Hafen. In Krisenzeiten kaufen Investoren Treasuries, ihre Kurse steigen, die Renditen (Zinsen) fallen. Jetzt passierte jedoch das Gegenteil. Während Aktien fielen, stiegen die Renditen der US-Staatsanleihen deutlich an. Dieses ungewöhnliche Muster deutete darauf hin, dass Investoren nicht nur allgemeine Marktpanik verspürten, sondern spezifische Bedenken hinsichtlich der US-Politik hatten. Faktoren wie Zwangsverkäufe von Anleihen durch Investoren, die Liquidität brauchten, und Inflationsängste aufgrund der Zölle spielten sicher eine Rolle. Entscheidend war aber wohl das schwindende Vertrauen. Investoren schienen eine höhere Risikoprämie für das Halten von US-Schulden zu verlangen, angesichts der als erratisch und potenziell schädlich empfundenen Politik. Der sichere Hafen USA schien plötzlich weniger sicher als etwa deutsche Bundesanleihen. Die „Trottel-Prämie“ war auch in Washington angekommen.
Der Druck vom Anleihemarkt, der steigende Kreditkosten für die US-Regierung signalisierte, blieb offenbar auch im Umfeld des Präsidenten nicht unbemerkt. Ob sich Präsident Trump der Gefahr bewusst war, ist nicht überliefert, seine Berater hatten jedoch scheinbar die Situation erkannt. Sein Vize JD Vance hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Anwesenden noch stolz verkündet, “in Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt”. Jetzt übernahmen allerdings die „Bond Vigilantes“ (Zins-Sheriffs) das Kommando. Daraufhin folgte am 9. April die überraschende Wende. Die Märkte reagierten mit einer massiven Erleichterungsrallye, die Aktienkurse schossen nach oben, die Anleiherenditen entspannten sich. Die Episode zeigte eindrücklich, wie empfindlich Märkte auf politische Unberechenbarkeit reagieren und dass selbst die US-Regierung den Anleihemarkt nicht ignorieren kann.
Trotz der teilweisen Kehrtwende ist die Unsicherheit keineswegs verschwunden. Was wir wissen: Die Zölle, solange sie bestehen, werden das Leben wahrscheinlich teurer machen. Experten rechnen mit steigenden Preisen für Konsumenten – das Yale Budget Lab schätzte die jährlichen Mehrkosten für einen US-Haushalt durch alle bisherigen 2025er-Zölle auf rund 3.800 Dollar. Gleichzeitig droht die Wirtschaft langsamer zu wachsen oder gar in eine Rezession zu rutschen. Die Episode hat eindrücklich gezeigt, selbst die mächtigste Wirtschaftsmacht der Welt ist nicht immun gegen die Reaktionen der Finanzmärkte. Wenn Politik als zu erratisch und riskant wahrgenommen wird, kann das sehr schnell sehr teuer werden. Die „Trottel-Prämie“ ist eine Warnung an alle Regierungen, die glauben, sie könnten die Gesetze der wirtschaftlichen Schwerkraft ignorieren.