23. September 2025

Die 12-Prozent-Illusion oder warum ELTIFs kein einfacher Weg zum Reichtum sind

Ist es das Versprechen, auf das viele gewartet haben? Der einfache Zugang zu jenen exklusiven Investitionen, die bisher nur einem kleinen Kreis von Superreichen und institutionellen Investoren vorbehalten waren. Neobroker wie Trade Republic machen es möglich. Mit einer Investition ab einem Euro können Privatanleger nun in sogenannte European Long-Term Investment...

Ist es das Versprechen, auf das viele gewartet haben? Der einfache Zugang zu jenen exklusiven Investitionen, die bisher nur einem kleinen Kreis von Superreichen und institutionellen Investoren vorbehalten waren. Neobroker wie Trade Republic machen es möglich. Mit einer Investition ab einem Euro können Privatanleger nun in sogenannte European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) investieren und am Wachstum von nicht börsennotierten Unternehmen, Infrastrukturprojekten oder Immobilien teilhaben. Das klingt nach „Private Equity für jedermann“, einer echten Demokratisierung der Geldanlage. Aber bietet diese auch Kleinanlegern wirklich die Chance auf die lukrativen Renditen der „Private Markets“?

Der Trugschluss des einfachen Zugangs

Die vermeintliche Chance, die sich durch ELTIFs für Kleinanleger eröffnet, birgt erhebliche Risiken, die von der scheinbaren Einfachheit des Einstiegs maskiert werden. Die ursprüngliche ELTIF-Verordnung von 2015 setzte bewusst hohe Hürden, die das Produkt fast ausschließlich einer vermögenden und professionellen Anlegergruppe zugänglich machten. Anleger mussten eine Mindestanlagesumme von 10.000 Euro aufbringen und ihr Investment durfte maximal zehn Prozent ihres Portfolios ausmachen, sofern dieses unter 500.000 Euro lag. Mit der ELTIF 2.0-Verordnung, die seit Januar 2024 gilt, wurden all diese Beschränkungen ersatzlos gestrichen. Der Kauf wird somit zum simplen Klick in der App. Doch genau hierin liegt der zentrale Trugschluss: Die Leichtigkeit des Kaufs ändert nichts an der zugrunde liegenden Komplexität der Anlageklasse. Ist ein Produkt, das ursprünglich für eine sehr spezifische Anlegergruppe konzipiert wurde, plötzlich für die breite Masse geeignet, nur weil die regulatorischen Hürden gesenkt wurden?

Das Versprechen: Mehr Rendite, mehr Vielfalt

Der Reiz ist unbestreitbar. Private Equity und andere private Märkte haben in der Vergangenheit häufig höhere Renditen erzielt als der öffentliche Aktienmarkt. Diese Mehrrendite, die oft als „Prämie“ bezeichnet wird, hat zwei Hauptursachen: die Illiquiditäts- und die Komplexitätsprämie. Sie sind die Belohnung für Anleger, die bereit sind, ihr Kapital über einen langen Zeitraum zu binden und in komplexe, nicht standardisierte Projekte zu investieren. Mit einem ELTIF können Anleger theoretisch ihr Portfolio diversifizieren, da die zugrundeliegenden Vermögenswerte weniger mit traditionellen Anlagen wie Aktien oder Anleihen korrelieren. Darüber hinaus dienen sie einem übergeordneten, von der EU gewollten Ziel. Sie finanzieren die europäische Realwirtschaft, die sich von grünen Anleihen bis hin zu Infrastrukturprojekten wie Windparks oder Schienennetzen erstreckt.

Das Liquiditäts-Dilemma

Diese Vorteile werden jedoch mit fundamentalen Nachteilen erkauft, die für den durchschnittlichen Kleinanleger, der oft noch am Anfang seiner Anlagereise steht, von entscheidender Bedeutung sind. Der wohl größte Unterschied zu einem börsengehandelten ETF ist die Illiquidität. Während Anteile an ETFs börsentäglich ge- und verkauft werden können, ist das Kapital in einem ELTIF oft für 8 bis 10 Jahre, in einigen Fällen sogar bis zu 30 Jahre, gebunden. Ein Verkauf über die Börse ist nicht möglich. Zwar können einige Fonds eine begrenzte, semi-liquide Rücknahme anbieten, doch diese ist nicht garantiert und kann über „Gating“, die Beschränkung des maximalen Rücknahmebetrags, stark eingeschränkt werden. Wer also im Notfall schnell an sein Geld muss, läuft Gefahr, festzusitzen.

Der Kosten-Schock

Darüber hinaus ist die Kostenstruktur von ELTIFs wesentlich komplexer und um ein Vielfaches höher als bei ETFs. Ein Anleger muss mit einem Ausgabeaufschlag von bis zu 5 Prozent rechnen. Hinzu kommen laufende Verwaltungskosten, die oft zwischen 1,5 und 2,5 Prozent pro Jahr liegen, sowie erfolgsabhängige Gebühren. Wer in einen sogenannten „Dachfonds“ investiert, also einen Fonds, der in andere Fonds investiert, zahlt sogar eine doppelte Gebühr, was die Gesamtkosten noch weiter in die Höhe treibt. Diese hohe Kostenstruktur kann einen Großteil der potenziellen Mehrrendite langfristig aufzehren.

Mangelnde Diversifikation und das Paradoxon der Zielgruppe

Auch die Diversifikation ist bei ELTIFs deutlich geringer. Während ein breit gestreuter ETF, wie etwa auf den MSCI World, in über 1.600 Unternehmen weltweit investiert, verteilt ein ELTIF das Kapital auf eine wesentlich kleinere Anzahl von Anlagen. Die Konzentration auf wenige, oft junge Unternehmen oder spezifische Projekte erhöht das Risiko eines Totalverlusts einzelner Investments. All dies steht im Gegensatz zum Anlegerverhalten in Deutschland, das seit jeher von einem starken Sicherheitsbedürfnis geprägt ist. Für fast die Hälfte der Deutschen ist „Sicherheit“ das wichtigste Kriterium bei der Geldanlage, weit vor „Rendite“. Zwar nimmt die Beliebtheit von ETFs zu, doch die Risikobereitschaft bleibt gering. Viele, die sich an Neobroker wenden, sind jünger und oft Neulinge im Anlagegeschäft. Ihnen wird ein komplexes und illiquides Produkt als einfacher Einstieg präsentiert, was eine gefährliche Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Einfachheit und den tatsächlichen Risiken schafft.

Wer langfristig Vermögen aufbauen will, kommt an ETFs nicht vorbei

Die Verbraucherzentralen sind sich einig. ELTIFs sind für unerfahrene Privatanleger ungeeignet. Die scheinbar niedrige Eintrittsschwelle ab einem Euro sollte nicht über die inhärenten Risiken, die lange Kapitalbindung und die undurchsichtigen Kosten hinwegtäuschen. Für den systematischen, langfristigen Vermögensaufbau ist und bleibt der ETF-Sparplan die überlegene Wahl. Er ist kostengünstig, extrem breit diversifiziert und bietet die volle Flexibilität und Liquidität. ELTIFs mögen für einen sehr kleinen Teil erfahrener Anleger mit einem hohen Nettovermögen und einem extrem langen Anlagehorizont eine Option zur strategischen Portfolio-Beimischung sein. Doch selbst dann sollte die Investition nicht mehr als fünf Prozent des Gesamtvermögens ausmachen, wie die Verbraucherschützer raten. Lassen Sie sich nicht von Marketing-Versprechen einer „Marktzielrendite“ von 12 Prozent blenden. Echte Rendite entsteht nicht durch einfachen Klick auf dem Smartphone, sondern durch kluge Entscheidungen, verständliche Produkte und vor allem: Geduld. Die wahre Demokratisierung der Geldanlage liegt nicht in der Öffnung komplexer Produkte, sondern in der transparenten, kostengünstigen und verständlichen Anlage in bewährte Lösungen wie ETFs.

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