Der Siegeszug der Exchange-Traded Funds (ETFs) zählt zu den beeindruckendsten Erfolgsgeschichten der modernen Finanzwelt. Er steht für nichts Geringeres als die Demokratisierung der Geldanlage. Durch klassische Indexfonds wurde es für Millionen von Anlegern erstmals möglich, mit kleinen Beträgen breit gestreut, transparent und vor allem kostengünstig am globalen Wirtschaftswachstum teilzuhaben. Das einfache Prinzip, einen Marktindex wie den MSCI World nachzubilden, anstatt ihn durch teures Management zu schlagen, hat die Spielregeln des privaten Vermögensaufbaus grundlegend verändert.
Doch nun, auf dem Höhepunkt dieses Erfolgs, rollt eine neue Welle von Finanzprodukten auf uns zu, die sich ebenfalls mit dem beliebten Kürzel „ETF“ schmücken – aktive und gehebelte Varianten. Sie versprechen, die bewährten Vorteile der ETF-Struktur mit zusätzlichen Renditechancen zu kombinieren.
Damit stellt sich eine zentrale Frage: Handelt es sich um eine echte Innovation, die den Gedanken des ETF-Sparens sinnvoll weiterentwickelt? Oder erleben wir lediglich einen geschickten Marketing-Schachzug der Fondsindustrie, die unter dem vertrauten Deckmantel des ETFs altbekannte, teurere Konzepte neu verpackt?
Das Segment der aktiv gemanagten ETFs ist längst mehr als ein Nischenthema. Es ist ein strategischer Vorstoß der Fondsanbieter, der das Anlageuniversum für Privatanleger erweitert – und zugleich komplexer macht. Im Kern handelt es sich um eine Kreuzung aus zwei bekannten Welten: Ein professioneller Portfoliomanager trifft gezielte Anlageentscheidungen, um den Markt zu schlagen. Diese Strategie wird jedoch in die transparente und börsentäglich handelbare Hülle eines ETFs eingebettet.
Das Wachstum dieser Produktgattung ist beachtlich. Zwar liegt ihr Anteil mit rund 2,8 Prozent am gesamten ETF-Markt noch im Nischenbereich, doch die Dynamik ist enorm. Allein 2024 hat sich das Angebot an aktiv gemanagten Aktien-ETFs in Europa nahezu verdoppelt. Jeder fünfte neu aufgelegte Fonds war aktiv verwaltet. Das verwaltete Vermögen stieg von 42 auf 63 Milliarden Euro. Unangefochtener Marktführer in diesem Segment ist derzeit J.P. Morgan. Dieses rasante Wachstum kommt nicht zufällig zustande. Die Fondsanbieter nutzen das positive Image des Begriffs „ETF“ – also die Vorstellung von Einfachheit, Transparenz und niedrigen Kosten – und verbinden es mit aktivem Management. Auf diese Weise wird eine klassische, teurere Anlagestrategie in einer modernen und für Anleger attraktiveren Form präsentiert. Der Handel über die Börse senkt zudem die Vertriebskosten deutlich, weil hohe Provisionen für Bankberater entfallen. Gleichzeitig müssen Anbieter die hohe Transparenz eines ETFs akzeptieren, der eine tägliche Offenlegung der Positionen verlangt. Für Anleger entsteht dadurch ein vergleichsweise günstiger und unkomplizierter Zugang zu professionell verwalteten Strategien.
Das Konzept klingt verlockend. Professionelle Expertise trifft auf Kosteneffizienz und Flexibilität. Ein erfahrener Manager kann gezielt Marktchancen nutzen und so potenziell eine höhere Wertentwicklung erzielen als ein passiver Indexfonds. Zudem sind aktiv gesteuerte ETFs deutlich günstiger als traditionelle Investmentfonds, die oft über 1,5 Prozent Verwaltungskosten pro Jahr verlangen. Doch dieses Versprechen hat Grenzen. Mit der Rückkehr des aktiven Managements kehrt auch das Risiko menschlicher Fehlentscheidungen zurück. Hinzu kommt, dass die laufenden Kosten höher sind als bei rein passiven Indexfonds: Während Standard-ETFs häufig unter 0,20 Prozent Gesamtkostenquote (TER) liegen, kosten aktive Varianten zwischen 0,20 und 0,85 Prozent – eine Differenz, die erst erwirtschaftet werden muss.
Zudem fehlen bislang belastbare Langzeitdaten, die belegen, dass aktiv gemanagte ETFs nach Kosten tatsächlich systematisch besser abschneiden als ihre passiven Pendants, insbesondere im europäischen Markt. Man könnte also sagen: alter Wein in neuen Schläuchen – allerdings in einer transparenteren und günstigeren Verpackung. Für Anleger bedeutet das: Sie tauschen das nahezu eliminierte Risiko passiver Investments gegen die Wette auf einen Manager, der nach Abzug der Kosten den Markt auch wirklich schlägt.
Während aktive ETFs eine Weiterentwicklung des ETF-Gedankens darstellen, sind gehebelte Produkte das genaue Gegenteil. Sie eignen sich nicht für den langfristigen Vermögensaufbau, sondern dienen in erster Linie kurzfristiger Spekulation. Ein gehebelter ETF vervielfacht die tägliche Wertentwicklung eines Index. Steigt der DAX an einem Tag um ein Prozent, steigt ein zweifach gehebelter ETF um zwei Prozent. Fällt der Index, verdoppelt sich auch der Verlust. Entscheidend ist dabei das Wort „täglich“. Diese tägliche Anpassung des Hebels führt zu unerwarteten Nebenwirkungen, die viele Anleger unterschätzen. Der sogenannte Volatilitätsverzehr, auch Pfadabhängigkeit genannt, sorgt dafür, dass in schwankenden Märkten langfristig Wert verloren geht – selbst wenn der Index am Ende unverändert bleibt. Steigt ein Index von 100 auf 110 Punkte, fällt am Folgetag um gut neun Prozent und steht wieder bei 100, hat ein zweifach gehebelter ETF dennoch an Wert verloren. Noch gravierender wirken sich starke Marktrückgänge aus. Während der MSCI World in der Dotcom- und Finanzkrise zusammen etwa 58 Prozent einbüßte, hätte ein zweifach gehebelter ETF auf denselben Index rund 87 Prozent verloren. Vom eingesetzten Kapital wären nur noch etwa 13 Prozent geblieben – ein Verlust, der kaum wieder aufzuholen ist.
Die Welt der börsengehandelten Fonds wird immer vielfältiger und zugleich komplizierter. Für die meisten Privatanleger, die langfristig Vermögen aufbauen und ihre finanziellen Ziele oder den Ruhestand sichern möchten, ist die Antwort eindeutig. Diese neuen Produkte sind in der Regel nicht notwendig. Der Erfolg von Indexfonds beruht auf zwei einfachen, aber wirkungsvollen Prinzipien: Sie sind verständlich und kostengünstig. Genau diese Grundlagen werden durch aktive und vor allem durch gehebelte Varianten wieder in Frage gestellt. Dadurch entstehen höhere Gebühren, zusätzliche Risiken und Spielräume für Spekulation, die mit solidem Investieren wenig zu tun haben. Anleger sollten sich deshalb nicht von modischen Produktideen oder glänzenden Werbeversprechen verleiten lassen. Beim langfristigen Vermögensaufbau führt ein klarer und disziplinierter Ansatz meist zum besseren Ergebnis. Wer auf bewährte und wissenschaftlich gestützte Strategien setzt, zum Beispiel mit einem breit gestreuten und kostengünstigen Weltfonds, investiert ruhiger, nachhaltiger und erfolgreicher. Wer Unterstützung bei der Umsetzung oder der regelmäßigen Überwachung seines Depots wünscht, kann sich an eine erfahrene und transparente Vermögensverwaltung wenden, die auf ETFs basiert. So bleibt das Portfolio an die persönliche Risikoneigung und die individuellen Ziele angepasst. Das ist nach wie vor der verlässlichste Weg zu einem langfristig erfolgreichen Vermögensaufbau.