Konjunktur und Aktienmärkte hängen in den kommenden Wochen wesentlich von der Entwicklung im Zollstreit ab. Europa und China haben die USA zuletzt als Börsenlokomotiven abgehängt. Abschreiben sollte man die USA allerdings nicht.
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Im ersten Quartal kehrten sich an den Aktienmärkten die wesentlichen Trends aus dem Vorjahr um. Europäische Aktien entwickelten sich sehr stark, der Euro STOXX konnte 8 Prozent an Wert gewinnen, während der DAX sogar 11 Prozent binnen drei Monaten gewann. Amerikanische Indizes und der US-Dollar gaben dagegen nach. Dafür sehen wir drei Gründe: Das Wirtschaftswachstum in den USA schwächt sich von einem hohen Niveau ab, während sich die Wachstumsaussichten in Europa von einem niedrigen Niveau verbessern. Die aufkommenden Zollängste haben bisher vor allem in den USA zu größerer Verunsicherung geführt. Zudem hat der Schock durch die chinesische KI Deepseek den Technologiesektor und die hoch gewichteten Glorreichen Sieben (Nvidia, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta, Tesla, Apple) besonders stark getroffen. Wie stark sich die Gewichte an den Märkten verschoben haben, zeigt die Performance der verschiedenen Assetklassen des Gesamtjahres 2024 im Vergleich zum ersten Quartal 2025.
Direkt nach seiner Amtseinführung legte Donald Trump mit zahlreichen Dekreten ein hohes Tempo vor. Besonders die Zollpolitik steht im Fokus und sorgt für massive Unsicherheit in den Unternehmen. Vor allem in Bezug auf Europa und China glauben wir nicht, dass Trump die Zölle lediglich als Verhandlungstaktik sieht, um Konzessionen an anderer Stelle zu erzwingen. Unser Basisszenario war und ist ein globaler Handelskonflikt mit negativen Folgen auch jenseits des Atlantiks. Die Zollankündigungen am 2. April haben die Befürchtungen der Märkte überstiegen. Die Sätze von 20 Prozent für die Staaten der Europäischen Union, 24 Prozent für Japan, 31 Prozent für die Schweiz und sogar 54 Prozent für China markieren die höchsten Zölle seit rund 100 Jahren. Wenn diese Zölle wirklich wie geplant umgesetzt werden, wäre mit einer starken globalen Wirtschaftseintrübung und einem weltweiten Anstieg der Inflation zu rechnen. Die mit großer Wahrscheinlichkeit ausgesprochenen Gegenzölle der betroffenen Staaten würden die negativen Effekte weiter verstärken.
Unser Augenmerk richtet sich aber auch auf die Politik des neu geschaffenen Department of Government Efficiency (DOGE). Schnelligkeit und der Umsetzungswille von DOGE haben uns überrascht. Innerhalb kürzester Zeit wurden Ausgaben und Subventionen zusammengestrichen, ganze Behörden geschlossen und Regierungsbeamte entlassen. Die Beratungsfirma Oxford Economics erwartet, dass zum Ende des Jahres 200.000 Regierungsbeamte weniger beschäftigt sein werden als zu Jahresanfang. Auch dies wird zunächst den Konsum und damit das Wirtschaftswachstum in den USA belasten. Kurz- und mittelfristig rechnen wir deshalb damit, dass Zölle und DOGE das Wirtschaftswachstum ausbremsen werden. Die große Frage ist dann, ob die Einschnitte eine Rezession auslösen. Unserer Meinung nach sind die Rezessionsängste bei Ausbleiben einer Eskalationsspirale im Zollkrieg übertrieben. Denn am Ende wird Trump nichts riskieren wollen. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Regierung Entscheidungen revidieren wird, wenn sich starke negative Effekte zeigen. Denn spätestens bei den Zwischenwahlen („Mid-Terms“) werden Senatoren nicht mit einer Rezession im Gepäck antreten wollen.
Was vielfach übersehen wird: Die getroffenen Maßnahmen haben auch positive Effekte auf den Staatshaushalt. Durch die Reduktion der Ausgaben sinkt das Haushaltsdefizit und die Haushaltsdisziplin wiederum hat positive Auswirkungen auf die Anleiherenditen amerikanischer Staatsanleihen. Das Haushaltsdefizit herunterzufahren ist aus unserer Sicht alternativlos. Die Trump-Regierung will deregulieren, die Steuern senken und den Staatsapparat zugunsten der Privatwirtschaft zurückfahren. Wir erwarten, dass die angekündigten Reformen mittelfristig Wachstumsimpulse bringen werden.
In der geopolitischen Zusammenarbeit allerdings bricht Donald Trump mit zwei historischen Prämissen der amerikanischen Politik. Er verwirft die Freihandels-Tradition der USA und zieht sich von der Position des Anführers der freien Welt zurück. Dies hat tiefe Auswirkungen auf den Rest der Welt. Insbesondere Europa steht vor einem Wendepunkt.
Spätestens seit der Rede des US-Vizepräsidenten JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz ist Europa aufgewacht. Neben der Zollpolitik plant die Europäische Union vor allem Investitionsprogramme in die Rüstung- und Sicherheitszusammenarbeit. Der EU-Vorschlag für einen gemeinsamen Wehrhaushalt sieht vor, dass die Schuldenregeln mittels nationaler Ausnahmeklauseln geändert werden. Unter der Annahme der Steigerung der nationalen Verteidigungsausgaben ergibt sich ein fiskalischer Spielraum von 650 Milliarden Euro über die kommenden vier Jahre. Zusätzlich könnte die Europäische Investitionsbank weitere 150 Milliarden Euro als Unterstützung zur Verfügung stellen. Außerdem gibt es Überlegungen, über die staatlichen Investitionen hinaus privates Kapital zu gewinnen. Deutschland hat als größte Volkswirtschaft Europas bereits die Initiative ergriffen.
Noch vor der Bildung der neuen Koalition hat der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz mit den Mehrheitsverhältnissen des alten Bundestags eine historische Abkehr vom finanzpolitischen Kurs der Bundesrepublik beschlossen. Mit dem 500 Milliarden großen Sondervermögen für Infrastruktur und Klima und der Nichtberücksichtigung der Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP wurde die Schuldenbremse ausgehöhlt und der Weg für massive, schuldenfinanzierte Investitionen geebnet. Das Gesamtpaket hat eine Größenordnung von ca. 2,25% des BIP und ist ein massives staatliches Investitionsprogramm. Deutschland hat im Vergleich zu seinen Nachbarn in den vergangenen 10-15 Jahren deutlich weniger investiert. Der IWF schätzt dieses Unterinvestment auf eine Größenordnung von ca. 10 % des BIP. Das Fiskalpaket ist eine Starthilfe für die maue Konjunktur Deutschlands, sollte aber dringend durch Bürokratieabbau, Senkung der Energiekosten und Minderung des Arbeitskräftemangels begleitet werden. Gerade der Arbeitskräftemangel in Industrie und Baugewerbe könnte dazu führen, dass das Investitionspaket mittelfristig die Preise anhebt. Wir sehen die Gefahr einer wieder anziehenden Inflation, die den preisbereinigten Impuls des Investitionspakets deutlich geringer ausfallen lassen könnte als erhofft.
Die Anleihemärkte haben das Fiskalpaket in einem beispiellosen Anstieg der Renditen eingepreist. Die zehnjährigen deutschen Bundesanleihen rentieren zwischenzeitlich knapp unter 3%, verglichen mit etwa 2% Anfang letzten Dezember. Dies hat ebenso gegenläufige Effekte, etwa werden Bauvorhaben und Investitionen dadurch kostspieliger. Zudem nimmt der Zollstreit der EU mit den USA gerade erst Fahrt auf, dieser wird höchstwahrscheinlich Wachstumseinbuße nach sich ziehen und ebenfalls die Preise erhöhen. Bis belastbare Zollauswirkungen kalkuliert werden können, steht die Ampel auf „Warten“.
Sowohl die EZB als auch die FED befinden sich aktuell in einer schwierigen Situation. Durch die erratische Handelspolitik in den USA erscheinen breit gefächerte Szenarien für Wirtschaftswachstum und Inflation möglich. Die EZB hat zuletzt die Leitzinsen auf 2,5% gesenkt und normalerweise hätten wir weitere Zinssenkungen erwartet. Angesichts des unsicheren Handelskonflikts mit den USA sowie des inflationär wirkenden Fiskalpakets in Deutschland sehen wir die Inflation eher wieder Richtung 2,5% ansteigen, was weitere Zinssenkungen erschweren wird. Dennoch schließen wir diese in der Eurozone nicht aus, da durch die stark angestiegenen Marktzinsen ansonsten eine Verschärfung der Finanzkonditionen droht. Sollten die Wirtschaftsstimuli Erfolg haben und sich das Wachstum merklich beschleunigen, müsste die EZB theoretisch sogar über Zinsanhebungen nachdenken. Das halten wir aktuell aber für unwahrscheinlich.
Der Handelskonflikt ist auch in den USA eine große Unbekannte und treibt die FED um. Zunehmend schwächere Wirtschaftsdaten rufen Rezessionsängste hervor. Die Zinsen auf amerikanische Staatsanleihen sind in den vergangenen Wochen merklich gesunken, so dass wir eine gegenläufige Dynamik zur Eurozone sehen. Die FED dürfte aber vorerst einen Wartemodus einnehmen, bis belastbare Wirtschaftsdaten vorliegen. FED-Präsident Jerome Powell hält eine durch Zölle bedingte Inflation für ein vorübergehendes Phänomen. Das weckt Erinnerungen an die Fehleinschätzung der Zentralbanken nach der der Corona-Pandemie. Grundsätzlich handelt es sich bei Zöllen zwar um eine kräftige einmalige Preiserhebung. Für Konsumenten ist es aber ein schwacher Trost, wenn das so erhöhte Preislevel danach wieder „nur“ um 2 Prozent steigt.
Auch die Unsicherheit in den Vorstandsetagen nimmt angesichts erratischer Politikentscheidungen zu. In der vergangenen Berichtssaison war das am häufigsten diskutierte Thema „Zölle“ mit über 700 Nennungen in den Quartalskonferenzen der amerikanischen S&P 500-Unternehmen. Unternehmen können sich auf unterschiedliche Umfelder einstellen, auch auf einen vermeintlich schlechten Handlungsrahmen. Allerdings werden Investitionsentscheidungen unter ständig sich verändernden Vorgaben unkalkulierbar. Die Folge sind verschobene Projekte, was der Wirtschaft mittelfristig schadet. Sichtbar wurde dies in der zurückliegenden Berichtssaison: Die Ergebnisse des vierten Quartals des Vorjahrs waren bei den meisten Unternehmen überzeugend, allerdings wurde bei einem Gros der Unternehmen der Ausblick aufs kommende Geschäftsjahr verhaltener. Dieser abnehmende Optimismus kann das Unternehmenswachstum über verzögerte Investitionen bremsen. Kurskorrekturen aufgrund der erhöhten Bewertungen sind die Folge. Im Gegensatz zu Trumps erster Amtszeit gingen die Kurse diesmal nach seinem Amtsantritt deutlich zurück.
Die Bewertungen in den USA sind allerdings auch nach der Korrektur noch nicht wieder günstig, sondern lediglich weniger teuer. In Europa haben die Bewertungen erheblich angezogen. Nimmt man Banken und Deep Cyclicals aus, dann handeln europäische Aktien mit einem KGV (Gewinne 2025) von 18x sehr hoch. Dabei wird ein Gewinnwachstum von 10 Prozent unterstellt, das bei einem Handelskrieg kaum zu erreichen sein dürfte. Auch bei Zyklikern wie Banken sind die Bewertungen nicht mehr günstig. Aktuell notieren europäische Banken bei einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1. Dies bedeutet einen Bewertungsaufschlag von über 40 Prozent auf die historische Durchschnittsbewertung von 0,7 der vergangenen 15 Jahre. Typischerweise korrigieren Aktienmärkte in einem normalen Börsenjahr zwischen 10 und 15 Prozent, die Korrektur fällt allerdings umso schärfer aus,wenn eine Rezession der Auslöser ist. Dementsprechend ist es entscheidend, wo wir aktuell im Konjunkturzyklus stehen. Ohne Eskalation im Zollstreit erwarten wir keine Rezession in den USA. Dann sollte es in naher Zukunft wieder attraktive Einstiegsniveaus für langfristige Kapitalanlagen geben. Angesichts der Unsicherheit kann es aber immer zu Übertreibungen kommen. Wir halten in naher Zukunft häufiger Gewinnmitnahmen nach kurzfristigen Kurserholungen für wahrscheinlich (Sell-the-Rallye).
Der Markt ist aktuell von Nachrichten getrieben. Friedensgespräche zur Ukraine, die deutsche Abkehr von der Schuldenbremse oder der Deepseek-Schocksorgen bei einzelnen Titeln und Branchen für starke Kursausschläge, die wir fundamental für nicht gerechtfertigt halten. Durch die Volatilität kommen Titel von Qualitätsunternehmen langsam wieder in Preisbereiche, in denen diese als Langfristinvestments sehr attraktiv sind. Mögliche Steuererleichterungen und Deregulierungen könnten einen Startschuss für eine Wiederaufnahme der Kursrallye sorgen. Dementsprechend haben wir die Kursrücksetzer bei amerikanischen Finanzinstituten genutzt, um die Positionen weiter aufzustocken. Lediglich unser Technologiegewicht in amerikanischen Titeln haben wir aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage moderat reduziert. Dazu haben wir Kursgewinne bei gut gelaufenen europäischen Investments realisiert. Europa hat schon sehr viel Euphorie vorweggenommen, hier erwarten wir eine Zunahme der Volatilität, insbesondere mit Zündung der neuen Stufe des Handelskonflikts im April. Daher bleiben wir in Europa zunächst defensiv und setzen auf Substanztitel. Zykliker würden wir bei attraktiven Preisen und belastbarem Aufschwung zur weiteren Beimischung erwägen. Staatsanleihen sind angesichts der möglichen Inflationsentwicklung eher eine Absicherung gegen eine plötzliche Wirtschaftsabschwächung als eine attraktive Renditequelle. Unternehmensanleihen halten wir trotz des moderaten Renditeaufschlags aktuell für ein gutes Investment, mehr als die Rendite sollte man sich zwischenzeitlich aber nicht versprechen. Zur Diversifikation haben wir Rentenpapiere mit attraktivem Rendite-/Risikopotential gekauft, etwa besicherte Anleihen aus den USA. Gold erweist sich angesichts der volatilen geopolitischen Lage als das Asset dieser Zeit. Ein schwächerer US-Dollar sowie abnehmende Anleiherenditen in den USA unterstützen den Goldkurs. Zudem steigen die Inflationsrisiken an. Daher behalten wir unsere recht große Goldposition weiterhin bei.